Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

IV. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

Andku jumal head hingamist (gebe Gott gute Ruhe) - jätka, od. jätkagu, jumal rooga (Gott gesegne die Speise) - jumal andku teile elu pitka, auu kõrget (Gott gebe euch langes Leben, hohe Ehre) - j. a. temale hea hinne-aseme ja kergitagu mulda rindade peal (G. gebe ihm eine gute Seelenstatt und erleichtere die Erde aut der Brust) - j. a. t. kõrgest taevast (Gott gebe es ihm vom hohen Himmel) - j. a. t. kalli liikumise ja voodi heitmise, targa meele ja mõistuse (Gott gebe ihm theures Bewegen und Niederlegen ins Bett, klugen Sinn und Verstand) - j. a. t. kalli tervise õhtu voodi heites, hommiku üles tõustes (G. g. ihm theure Gesundheit, wenn er Abends sich zu Bette legt und Morgens aufsteht) - j. a. t. puhast hingamist (G. g. ihm reine Ruhe) - jumal lasku sõa-väge kõrval, od. ikka, kuulda, ei silmal, od. elades, näha (Gott lasse von einem Kriegsheere mit dem Ohre, od. immer, hören, nicht es mit dem Auge, od. im Leben, seben) - j. l. tulukese kitsas paigas olla (G. l. das Feuer in einem engen Raume sein) - j. l. vili tulla tulusale ja magusale (G. l. das Getreide kommen zum Erspriesslichen und Süssen) - jumal õnnistagu teie jala astumisi (Gott segne die Tritte eurer Füsse) - jumal pidagu tulukest ja kaitsku kamalus (Gott halte das Feuer und behüte es in seiner Händ) - j. p. t. varjulises kohas (Gott halte das Feuer an einem sicheren Orte) - jumal rõõmustagu vaimu, od. pärigu hinne (Gott erfreue den Geist, od. ererbe die Seele) - jumal ülendagu hinnekest ja alandagu patukest (Gott erhöhe die Seele und setze die Sünde herab) - korjaks mind jumal uude tuppa (möchte mich Gott in die neue Stube hinweg nehmen), in den Himmel - neli leiba, kolm last (vier Brote, drei Kinder), od. pisut lapsi, palju leiba (wenig Kinder, viel Brot), Neujahrswunsch - sinu suust ja jumala käest (aus deinem Munde und aus Gottes Hand), d. h. Amen, wenn Einem etwas Gutes gewünscht worden - soovin tervist vana aastat lõpetada, uut hakata (ich wünsche Gesundheit, das alte Jahr zu beendigen, das neue an zu fangen) u. a.

        Jumal ja kurat sulagu ühte (Gott und der Teufel mögen zusammen schmelzen) - jumal silitagu nii kaua sinu pead kunni luud nähakse (Gott möge so lange deinen Kopf streicheln, bis der Knochen sichtbar ist) - kadugu sa nenda maa pealt kui kaste rohtu pealt (mögest du von der Erde verschwinden wie der Thau vom Grase) - koer sittugu ta haua peale (ein Hund sch.... auf sein Grab) - kurat sinu sisse (der Teafel in dich) - kurat viigu sind, et aga vere-tilgad jäävad maha (der Teufel bringe dich fort, so dass nur die Blutstropfen nach bleiben) - kurat võtku sind (der Teufel nehme dich) - langid võtku sinu meele (die Krämpfe mögen deinen Sinn nehmen) - lase teda Madis võtta (möge ihn der Matthias, der Teufel, nehmen) - ma keeran su pea kuivalt otsast ära (ich werde deinen Kopf trocken ab drehen) - mine, kusa seda teist (geh, wo Solches und Anderes ist), m. lanki (geh in den Krampf), mine rabase, od. sohu, od. soo peale (geh in den Sumpf), mine seeki (geh ins Siechenhaus), mine tühja kätte (geh zum Leeren, d. h. zum Teafel), mine hundale (geh zu den Wölfen) - oh kanade päralt, kirivaste päralt, mustlase päralt (o den Hühnern, den Bunten, dem Zigeuner Gehöriges) - oh see nende sisse (o der, sc. Teufel, in sie) - oh sina soolatud kurat (ach du gesalzener Teufel) - oh südame neeru-rasva-tallekene (o des Herzens Nieren-fett-Lämmchen), bei einemVerlust - saagu teile mitte üks karv kasvama (möge euch kein Haar wachsen) - sitta su suhu (Koth in deinen Mund) - su ema ihu mädanegu sind kandmast (deiner Mutter Leib möge verfaulen dich getragen zu haben) - su niuded vindugu, ja sa kõht mingu punni (deine Hüften mögen schvinden, und dein Bauch an dringen) - vandus minu vere tilga ära, kust mina olen sündinud, need rinnad, mis ma olen imenud (er verfluchte den Tropfen meines Blutes, aus dem ich entstanden bin, die Brüste, an welchen ich gesogen habe) - vandus mulle kaks sarve pähä ja kolmat kõhu peale (er fluchte mir zwei Hörner an den Kopf und ein drittes auf den Bauch) - vandus tuhat tulist kuratit kokku (er fluchte tausend feurige Teufel zusammen) - tuisk ja tolm lase võtta (Gestöber und Staub mögen nehmen) - üle metsa üle järve mingu ta oma nahaga hoopis (über den Wald und über den See mag er gehen sammt seiner Haut) - võtku teda tühi, kurat, tont (nehme ihn der Leere, der Teufel, der böse Geist) - saagu sulle saama savitse' latse', ahjo-otsa-arvolitse', katla-koogo-karvalitse', savve söömä ja saiba otsa sitale (d) (mögen dir geboren werden Kinder von Thon, mit Verstand wie die Ofenecke, von Farbe wie der Kesselhaken, Lehm zu essen, oben auf einer Zaunstange zur Wothdurft zu gehen) u. a.

Ehk mind pandagu tulese (sollte man mich auch ins Feuer legen) - ehk ma seie samase sulagu (sollte ich auch eben hier schmelzen) - ehk ma siniseks veeks sulaksin, ma ep ole seda mitte teinud (sollte ich auch zu Blauem Wasser schmelzen, ich habe es nicht gethan) - ehk oleks tuhat tulist kuratit sõrviti vahel (sollten auch tausend feauige Teufel quer dazwischen sein) - ehk sulagu ma maa põhja (sollte ich auch in den Boden der Erde schmelzen) - kurat võtku mu luud liikmed ära, kui ... (der Teufel nehme meine Gebeine und Glieder, wenn ...) - Jeesukene suretagu mind seina ääre (Jesulein lasse mich neben der Wand sterben) - jumal ärgu aidaku mind siit paigast mitte, ega teisest kolmandamast paigast (Gott helfe mir nicht von dieser Stelle, noch von einer anderen oder dritten Stelle) - jumal näeb üleval, mina siin (Gott sieht es oben, ich hier) - jumal viigu minu käed käest ära (Gott bringe meine Hände von mir weg) - jumala nimi kallis, et mull seda ei ole (Gottes name ist theuer, dass ich das nicht habe) - jumala ristike olgu mu juures (Gottes Kreuzchen sei bei mir) - keegi ei tea muu kui suur jumal üleval ja mina ise (kein Anderer weiss es als der grosse Gott oben und ich selbst) - mina ei maksa, ehk võtku minu ihu särk seljast ära (ich bezahle nicht, und sollte er auch meines Leibes Hemd mir vom Rücken nehmen) - mina olen siniseks veeks, tema on varastand (ich bin blaues Wasser, er hat gestohlen) - mina räägin tõtt jumala ja inimeste vahel (ich rede die Wahrheit zwischen Gott und Menschen) - mina tunnistan taeva ja maa vahel (ich bezeuge zwischen Himmel und Erde) - minu hing on nenda puhas kui üks täht taevas (meine Seele ist so rein wie ein Stern am Himmel) - nii tõeste, kui jumal üleval ja mina siin (so wahr wie Gott oben und ich hier) - see on minu ja jumala (das ist mein und Gottes), ganz gewiss mein - siis ma tahan siia maa alla lanneta (dann will ich hier unter die Erde sinken) - vannun oma vere ja hinne peale (ich schwöre auf mein Blut und auf meine Seele) - võite nokkida mu südame seljast välja, ei teie siiski minust süüd leia (ihr könnt mir das Herz aus dem Rücken hacken, ihr werdet doch keine Schuld an mir finden) - võtku kurat mu käed küllest ära (möge der Teufel meine Hände von meiner Seite nehmen) u. a.

Bei der grossen Neigung der Ehsten zu Spott und Satire ist es eine sehr beliebte Gewohnheit bei ihnen, dass Bewohner verschiedener Gegenden und Gutsgebiete sich gegenseitig Spott- und Spitznamen geben, welche sich auf Auffälliges in der Sprache oder Kleidung, Charakter, Lebensweise u. s. w. beziehen, auch wohl auf einer Namensverdrehung des Wohnorts beruhen. Sie sind grossen Theils unübersetzbar, und vermuthlich ist bei manchen der Ursprung und die eigentliche Bedeutung auch denen selbst nicht klar, welche sie - der Tradition folgend - gebrauchen. EineProbe davon sind die folgenden. Einer aus Werpel ist “varblane” (Sperling, nach dem Ortsnamen), - aus der Umgegend von Pernau “laia-perse-mees” (Mann mit breitem Hinteren, von den breiten Rockschössen), - aus Fellin “Vilandi vibu-nina” (Felliner Bogennase), - aus Holstfershof “kuke-soolik” (Hahnendarm), - aus Tarwast “tatt-lännik” (Rotzbütte) oder “tatt-lauk” (Rotzblässe), - aus der Umgegend von Werro “tsurklane” oder “ugulane”, - aus Neu-Anzen “kirivä hata poig” (Sohn einer bunten Hündin). - aus Alt-Anzen “haha hata poig” (Sohn einer grauen Hündin), - aus der Anzenschen Gegend überhaupt “lätokene” oder “hatokene” - aus Uelzen “vaablane” (Wespe), - aus Linamägi “seetkene”, - aus Kergel “kärbläne” (Fliege) oder “kõrvene” (wohl nach dem Ortsnamen), - aus Pölve “vetka” (von dem Gebrauche der Partikel wet russ. âúäü), - aus der Umgegend von Dorpat “käkk” (Blutklos), - aus Koik “oa-sao sööjä” (Esser von dicker Bohnensuppe), - aus Heiligensee “sooliko-arutaja” (der Därme aus einander wickelt), aus Rosenhof “huiokene”, - aus Neahaasen ajalik” (soDst ein Rind mil weissem Rüekenstreifen), - aaä Nnrsi “hafokene^, - aus Sennen “nähkas”, - aus Rauge, Hahnhof, Kosse “häkk”, - aus Rogosinki “viti” (weil sie viti st. wei sprechen, von “vidämä”), - aus Rappin “mähkas, määkas”, - aus Menzen “loks-munn” (Klatschhode), - Leute aus Tolama heissen “ooka-rahvas” (weil sie oo statt om sprechen), die Ehsten im Gouvernement Pleskau “setu', setuka', setukeze'”, Mädchen aus Kannapä “kaput-jalad” (Strumpffüsse), die in den dörptschen Kreis eingewanderten Felliner “mulgid”, die Letten “läti-kopsud” (Lettenlungen) u. s. w. Auch längere Sprüche, Spottverse kommen dabei vor, wie von den Leuten in Anzen “Ants-mõisa rahvas ausa rahvas, peräst pikä-päkä-rahvas” (die Leute aus Anzen sind Ehrenleute, nachher sind sie Leute mit langem Daumen, d. h. Diebe), - in Resthof “minä Rõsto rikas mees, maka vastse kaska seen” (ich bin ein reicher Mann aus Resthof, schlafe in einem neuen Pelz”, - in Sommerpalen “pikä palo piimä-nõidja, Sõmer-palo soira-sööjä” (Milchverhexer von der langen Haide, Sommerpalenscher Käseesser), - in Errastfer “Eräsvere irviko', kuiva leevä kooriko', suvel söövä' sitikit, talvel lakva' lutikit'” (Errastfersche Grinzer, trockene Brotrinden, im Sommer essen sie Mistkäfer, im Winter lecken sie Wanzen), - in den vier Kreisen Ehstlands “Harju harakas, Viru Virukas od. vares. Lääne lüll, Järva junn” (Elster aus Harjen, Langer, od. Krähe aus Wierland, Tölpel aus Wiek, Knirps aus Jerwen”

Dieser Abschnitt, wie die beiden vorhergehenden hat selbstverständlich nur einige Proben ehstnischer Rede- und Ausdrucksweise geben wollen und können, vieles dahin Gehörige giebt auch noch das Wörterbuch.