Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

XVII. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

Gutes geträumt bedeutet im Allgemeinen Schlimmes und eben so umgekehrt. Wer im Traum gelacht hat, wird weinen. - Wenn man träumt, dass Bienen um das Haus fliegen, so wird Feuer ausbrechen oder Schnee fallen. - Träumt man von Mäusen, so werden bald Diebe kommen. - Vom Wolf träumen bedeutet mit Deutschen zu thun haben; im Traum mit Verstorbenen zusammen sein oder von ihnen hören bedeutet Veränderung des Wetters; im Traume donnern hören bedeutet einen kaiserlichen Befehl; im Wasser sein oder damit zu thun haben droht Krankheit dem Träumenden selbst oder einem Anderen, von dem er dabei zugleich geträumt hat. - Vogeleier im Traum gesehen bedeuten öffentlichen Streit, Tumult; Sturm, Regen, Schneegestöber bedeuten lügenhaftes Gerede oder grundlose Aufregung. - Wilde Thiere (Hasen, Eichhörnchen, Füchse) im Traume jagen oder fangen verspricht das Herauskommen eines Diebstahls. - Wer einen Soldaten gesehen hat, wird im Jahre auf Wölfe stossen, wer einen Wolf, der wird viel Getreide haben. - Wenn ein Mädchen einen Wolf ein Schaf weg bringen sieht, so wird es heirathen. - Geld empfangen bedeutet Husten, lange Reisen bedeuten Krankheit. - Der Bau eines neuen Hauses, Wegräumen von Hausgeräthe, Fegen der Stube, Einsturz von Häusern, das Fallen von Gegenständen deutet Sterben an in dem Hause, von welchem man geträumt hat; im Winter kündigt das Bauen ein Nachlassen der Kälte und baldiges Eintreten von Thauwetter an. -Wer im Traum Handschuhe findet, dem werden Lämmer geboren werden, wer Handschuhe verliert, dem werden Schafe um kommen. - In die Badstube gehen bedeutet krank werden, viele Fische fangen kaltes Wetter, ein rothes Pferd sehen eine Feuersbrunst. - Wer träumt, dass er im Walde oder auf der Wiese ist, wird mit vielen Menschen zusammen kommen. - Wer im Traume auf einem schwarzen Pferde geritten hat, wird viel Sorgen haben, eben so wer zerrissene Stiefel an gehabt hat, wer aber neue Stiefel bekommen hat, dem wird allerlei Neues zu fallen. - Hat man im Traum ein Feuer aus gelöscht, so kommt Thauwetter. - Hat man geträumt, dass Holz gehauen wurde, so wird Jemand sterben, und zwar eine Mannsperson, wenn es Tannenholz, ein Frauenzimmer, wenn es Birkenholz war. Eben so bedeutet es eines Todesfall, wenn man von Pflügen oder Düngerführen geträumt hat. - Wer von Blut geträumt hat, wird mit Verwandten zusammen kommen. - Wer im Traum eine Schlange gesehen hat, dem werden Thiere geboren werden, wer eine Schlange erschlagen hat, dem werden Thiere sterben. Wer von einer zischenden Schlange träumt, hat sich vor hinterlistigen Angriffen zu hüten. - Sterben wird, wer im Traum einen verstorbenen Freund oder Verwandten, oder den ein Anderer in weissen Kleidern gesehen hat, oder wer dem Heiligenbilde Lichte angesteckt hat.

Von dem Tode giebt es noch sonst eine Menge Andeutungen. Dahin gehört das Picken der Todtenuhr, - wenn ein Kranker bald nach dem für ihn gehaltenen Kirchengebet sich besser fühlt oder während des Gebetes sehr ruhig liegt, - wenn, während der Pastor dem Kranken das Abendmahl giebt, sein Pferd draussen den Kopf hängen lässt, oder wenn dem Pastor bei seinem Fortgehen die Lichtflamme sich zuneigt, - wenn Nachts in der Nähe des Hauses eine Eule schreit (nach Anderen kommt dann ein Kind ins Haus), - wenn Einen der Kuckuck “betrügt” (s. XVI) oder wenn er nahe bei dem Hause singt, - wenn das Brot im Ofen platzt, - wenn die Nasenspitze juckt, - wenn noch nach Sonnenuntergang ein Huhn umher läuft und kakelt, - wenn ein Hund heult und dabei den Kopf neigt oder nach dem Gottesacker wendet, - wenn man in der Nacht, besonders in der Neujahrsnacht Geräusch von Brettern hört.- Wenn ein Hahn einen Strohhalm oder Hobelspan nach sich schleppt, so wird man von dem Tode eines Mannes, wenn eine Henne, von dem eines Weibes hören. - Wenn man in der Nähe eines Baches oder Sees Weinen zu hören glaubt, so wird dort bald Jemand ertrinken. - Wenn die innere Handfläche rothe (flechtenartige) Flecke bekommt (lööb rooste), so ist das eine Andeutung von dem Tode naher Angehörigen. - Wer sich beim Einmachen des Kohls verwundet, wird sterben, ehe er davon gegessen. - Von welcher Seite man während des Glückgiessens am Sylvesterabend (vgl. XI) Geräusch hört, von der wird man im Laufe des Jahres eine Todesnachricht empfangen. - Wenn des Verstorbenen Wangen lange weich bleiben, so wird bald ein Verwandter von ihm sterben. - Wenn die Dohlen aufs Land kommen, so bringen sie Sterben. - Hört man in der Nacht vor Weihnacht oder Neujahr ein Krachen, so “gräbt der Tod Gräber”, hört man Beilhiebe, so “behaut er Sargbretter”. - Löscht ein Licht plötzlich aus, so wird derjenige sterben, welcher in der Nähe ist, eben so, wenn unter dem Löffel ein Salzkorn geschmolzen ist. - Sieht man auf der Asche Menschenspuren, so wird Jemand im Hause sterben. - Sieht Jemand in der Nacht vor Weihnacht durchs Fenster in eine Stube, - so erblickt er denjenigen ohne Kopf, welcher im bevorstehenden Jahre sterben wird. - Am Hochzeittage zündet man für Braut und Bräutigam zwei Lichte an; wessen Licht zuerst aus brennt, der wird zuerst sterben. Wer von dem jungen Paare am ersten Abend zuerst ein schläft, wird vor dem Anderen sterben (vgl. VIII). - Wenn einem Bräutigam auf dem Wege zur Trauung am Geschirr etwas zerreisst oder zerbricht, so wird die Braut bald sterben; wenn der Braut etwas Besonderes begegnet, der Trauring zu Boden fällt u. d. gl., so wird sie bald Wittwe werden. - Wenn beim Einschieben des Brotes in den Ofen ein Finger ins Brot fährt, so wird in dem Hause Jemand sterben, ehe das Gebäck verbraucht ist. - “Surnu- od. surma-kindad” (Leichen- od. Todeshandschuhe) oder “kalmu-kindad” (Grabeshandschuhe), d. h. wenn von langer Geburtsarbeit ein neugeborenes Kind bleiche, blutlose Hände (oder Füsse) hat, sind ein Vorzeichen seines baldigen Todes, und zwar wird es um so eher sterben, je kürzer die Weisse ist. - Wenn ein Kuckuck auf einem Baum im Hofe oder gar auf dem Dache singt und nach der Kirche zu fliegt, so wird ein Mensch im Hause sterben, wenn nach dem Walde, so wird dem Vieh dort ein Schade geschehen. - Wenn der Ofen pfeift, so werden irgend wo Vater und Mutter sterben und Waisen hinterlassen. - Wenn das Kinn juckt, so wird ein bärtiger Mann sterben. - Wenn beim Nähen des Hemdes für einen Todten der Faden sich verknotet, so wird es bald wieder eine Leiche geben. - Wenn man einen zu Bett liegenden Kranken besucht, und er auf der rechten Seite zuerst Hand oder Fuss bewegt, so wird er leben bleiben, wenn auf der linken, so wird er von dieser Krankheit nicht mehr auf kommen. - Von dem Geschlecht der Person, welche zuerst dem vom Gottesacker rückkehrenden Leichengefolge begegnet, wird die nächst folgende Leiche sein.

Manche andere Omina drohen, wenn auch nicht gerade oder nicht immer des Tod, so doch Unheil. Einige Tage sind vorzugsweise Unglückstage. An diesen geborene Kinder werden unglücklich oder leben nicht lange, Mädchen, welche sich verloben oder heirathen, haben eine unglückliche Ehe, leben in Uneinigkeit mit ihren Männern und haben keinen Segen im Hause; an diesen Tagen Erkrankte kommen schwerlich auf, Alles, was man an ihnen unternimmt, misslingt, man darf nicht in eine neue Wohnung ziehen, keine Reise miternehmen u. d. gl. Diese 45 Unglückstage in jedem Jahre sind der l., 2., 6., 11., 14., 18. Januar, 8., 16., 17. Februar, l., 3., 12., 16. März, 1., 3., 12., 16., 18. April, 8., 10., 17., 30. Mai, l., 7., 12., 13. Juni, l., 5., 16. Juli, l., 3., 17., 18. August, 12., 15., 18., 30. September, 12., 15., 17. October, 11., 17. November, 1., 17., 18. December. Unter diesen sind drei, der l. April (wo Judas den Heiland verkaufte), der l. August (wo der Teufel aus dem Himmel geworfen wurde) und der l. December (wo Sodom und Gomorrha unter gingen), in besonderer Weise unglücklich, da verliert man vor Gericht jede Sache, Gewächse, welche man pflanzt, gehen aus, die dann geborenen Kinder sterben eines schweren Todes. - Wenn es am Laurentiustage (10. Aug.) trockenes Wetter ist, nach Anderen wenn es regnet, so werden viele Feuersbrünste sein. - Wenn Schafe schwarze Lämmer gebären, so bedeutet es Sorgen. - Sind Ameisen in ein Haus gedrungen, so bringen sie Unglück, besonders Tod. - Wenn der Neuntödter lange nach einer Gegend, einem Hause hin sieht oder schreit, so bedeutet es ein wichtiges, meist trauriges Ereigniss, wie Tod; eben so, wenn man den Wiedehopf hört, so kommen schlechte Zeiten, oder Tod. - Wenn im Frühjahr die Rohrdommel neun Mal ihren Ruf hören lässt, so verkündet sie ein Hungerjahr. - Wenn ein Eichhörnchen zu einer Wohnung kommt, so droht es eine Feuersbrunst. - Wenn ein Hase oder Eichhörnchen über den Weg läuft, oder ein (altes) Weib Einem begegnet, so bedeutet es Unglück, ist aber der erste Begegnende ein Mann, besonders ein Militair, so ist es ein gutes Omen für eine Reise. - Wenn in einem Hause ein Pferd mit der Todtengrube crepirt, so werden ihm noch zwölf folgen. - Wenn von dem Wagulasee bei Werro starke Winde wehen, so werden in dem Jahre viel tolle Hunde sein. - Wenn Raben oder Krähen über einen Hof fliegen und sich streiten, so bedeutet das Zank unter den Eheleuten. - Wenn ein Rabe von Norden nach Süden fliegend kommt und traurige, glucksende Töne (lonk, lonk) hören lässt, so bringt er traurige Botschaft. - Fliegt ein Rabe über den Hof, so bedeutet es Unheil, begegnet ein krächzender einem Reisenden, so muss dieser sogleich das Pferd um kehren und drei Mal aus spucken, dann kann er ohne Furcht vor dem sonst drohenden Schaden seine Fahrt fortsetzen. - Wenn eine Elster schreiend über eine Herde fliegt, so ist der Wolf nicht weit, schreit sie vor der Thür, so kommt der Frohnvogt, um zur Arbeit zu treiben. - Wenn ein Storch über den Hof fliegt, so kommt Viehsterben. - Wenn ein Hund in der Weihnachtsnacht heult, so wird er im nächsten Jahre toll werden. - Wer im Versehen den Rock verkehrt anzieht, wird Prügel bekommen, und wer am Montag Prügel bekommen hat, bekommt die ganze Woche welche. - Wenn beim Nähen eines Kleides Zwirn übrig bleibt, so wird der Eigenthümer es nicht tragen, sei es nun dass er selbst stirbt oder das Kleid gestohlen wird oder verbrennt.

Wenn bei der Abfahrt ein Pferd nickt, so ist es ein gutes Zeichen, wenn es mistet, ein schlechtes. - Wenn eine Leiche fort gebracht wird, und der Wind nach derselben Richtung weht, so geht das Glück aus dem Hause, ist er entgegen, so bleibt es (Andere meinen auch umgekehrt). - Wenn das linke Auge juckt, so wird man an dem Tage weinen, wenn das rechte, lachen; Andere meinen, dass das Jucken der Augen überhaupt Weinen bedeute. - Wenn ein Kind bei der Taufe weint, so wird es ein böser Mensch, wenn es still ist, ein guter. - Das so genannte Blühen der Nägel bedeutet Reichthum, Neidnägel Armuth. - Sieht man im Frühjahr einen Mistkäfer zuerst hriechend oder liegend, so wird man kränklich oder ganz krank sein, sieht man ihn zuerst fliegend, so wird man den ganzen Sommer hindurch frisch und gesund sein. - Wenn Einem auf der Reise ein Rabe von links nach rechts über den Weg fliegt, so bedeutet es Glück, wenn in umgekehrter Richtung, Unglück. - Wenn einem Ausgehenden zuerst eine Mannsperson begegnet, so wird ihm das Beabsichtigte gelingen, wenn aber ein Frauenzimmer, dann nicht. - Wenn die Masern in einem Hause zuerst einen Knaben befallen, so werden sie gutartig sein, wenn ein Mädchen, bösartig. - Wem auf einem Gange ein Schwein begegnet, der wird Glück haben, wem ein Weib oder gar eine alte Jungfer, Unglück, ausser wenn sie etwas unter dem Arme trägt. - Wenn an einem ersten Feiertage zuerst ein Mann herein tritt, so bedeutet es Glück, wenn ein Weib, Unglück. - Wenn nach dem Einlegen der Hefe in die Maische starke Gährung eintritt, so bedeutet es Glück, wenn schwache, Unglück. - Wenn Einer zum Fischfang oder zu einer Arbeit geht und mit dem linken Fuss anstösst, so wird er kein Glück haben.

Wenn während des Wegführens der Leiche das Wetter sich auf heitert, so wird der Verstorbene selig. - Wenn man am Morgen das Hemd eines kranken Kindes über dem Feuer schüttelt, und es raschelt, so wird es gesund. - Wenn auf einer Besuchfahrt die Pferde unter Weges prusten, so wird man willkommen sein. - Wenn eine Katze einen Strömling am Kopfe zu fressen anfängt, so wird man viel Fische fangen.

Wenn beim Tuchwalken in das Tuch ein Knoten kommt, so werden die walkenden Mädchen verheirathet werden. - Welches Mädchen bei der Heuarbeit seinen Schwaden zuerst an den Schoberboden (kuhja lava, k. pesa) treibt (kuhja lava lahti niidab od. ajab), wird in diesem Jahre zuerst verheirathet. - Wenn die Eberesche (Sorbus Aucuparia L.) stark blüht, so wird es im Herbst viel Freier geben. - Wenn beim Kornschneiden die letzte Garbe von einem Mädchen gebunden wird, so wird dieses heirathen. - Wenn die Lippe juckt, so wird man von Freien hören. - Wenn im Herbst die hohen Birken früher ihre Blätter verlieren als die Sumpfbirken, so werden im Winter darauf mehr Wirthstöchter als Mägde verheirathet werden und umgekehrt. - Wenn die Lämmer, welche geboren werden, bunt sind, so wird es viel Bräute geben. - Wenn in der Nähe des Hauses der Uhu schreit oder eine Eule ans Fenster fliegt, so ist eine Hochzeit zu erwarten oder die Geburt eines Kindes.

Wer einen Adler schreien hört, dessen Tochter wird ein Kind gebären.

Wenn die Kniescheibe (nach Anderen die Nase) juckt, so wird man von Kindbetterinnen hören.

Wenn die rechte Handfläche juckt, so wird man Geld bekommen, wenn die linke, so wird man Geld aus geben (nach Anderen Schelte bekommen).

Wenn das Kreuz juckt (nach Anderen die Nase in der Querrichtung), so wird es Kindtaufe geben.

Wenn der Mund prickelt, oder die Oberlippe juckt, so wird man Brot geschenkt bekommen.

Wenn am brennenden Licht Fettspäne stehen bleiben, so wird der, nach dessen Seite hin sie stehen, einen Brief bekommen.

Wenn ein Hund sich streckt in der Richtung nach einem Alten hin, so wird dieser Branntwein bekommen, wenn nach einem Kinde hin, so wird es die Ruthe bekommen. - Wenn ein Viehhund sich wälzt, so wird der Wolf die Herde an fallen, wenn man nicht einen Stein auf die Stelle legt. -Wenn an einem nebeligen Morgen der Hüter schläfrig wird, so bedeutet diess, dass ein Wolf in der Nähe ist.

Ist eines Mannes erstes Taufkind ein Mädchen, so wird er ein glücklicher Bräutigam sein, ist es aber ein Knabe, so kann er ein alter Junggesell bleiben; eben so analog bei einem Mädchen.

Wenn ein Mädchen bei der Wäsche sich vorn sehr nass gemacht hat, so wird es einen Trinker zum Manne bekommen.

Wenn beim Zwirnen beide Garnknäule ungleich zu Ende gehen, und der Zwirn doch zu dem Zwecke ausreicht, so wird die Zwirnende in diesem Jahre das Haus verlassen, sei es durch Verheirathung oder durch Tod.

Ist der erste Schmetterling, den man im Frühling sieht, weiss, so werden den Sommer über die Augen gesund sein, oder die Kühe werden reichlich Milch geben, oder man wird ein ruhiges Leben haben; ist er bunt, so bedeutet das kranke Augen oder ein buntes Leben; ist er gelb, so wird die Butter schön gelb sein.

Wenn ein Ochs, mit welchem die Saat ein geeggt ist, beim Ausspannen den Fuss oberhalb des Knies leckt, so wird das Getreide hoch werden, wenn unterhalb, niedrig.

Wenn sich die Katze wäscht, so werden Gäste kommen. Will man wissen, ob männliche oder weibliche, so nimmt man die Katze und schlägt sie drei Mal gegen die Thürschwelle; läuft sie nach dem Loslassen in die Kammer, so kommt weiblicher Besuch, in die Stube, männlicher.

Wenn sich in einem Hause die Mäuse sehr vermehren, so wird dort eine Veränderung geschehen durch Ausziehen, Sterben etc.

Wer im Frühjahr den Hänfling zuerst fliegend oder an einer hohen Stelle erblickt, dessen Flachs wird lang wachsen, sieht man ihn zuerst auf der Erde sitzen, so wird der Flachs kurz sein, sieht man ihn auf einem Steine, so werden viel Schäben im Flachse sein, und sieht man ihn auf einem Strohdache, so wird der Flachs fleckig.

Es giebt Omina nicht bloss für das Zukünftige, sondern auch für das Gegenwärtige. Wem beim Durchgehen durch eine Thür ein Fuss hängen bleibt, von dem wird dort im Hause viel Uebles geredet. - Wenn der Wind heult, so geht eben ein grosses Schiff unter. - Das Schlucken bedeutet, dass man irgend wo erwartet wird. - Wenn einem Weibe der Gurt auf geht, so besucht der Mann ein anderes Weib. - Wenn das Strumpfband auf geht (nach Anderen wenn der Fuss ein knickt), so wird Einem Uebles nach geredet, oder der Mann liebt ein anderes Weib. - Wer mit der Handwage (“Besmer”) wägt, ohne dass diese zur Ruhe kommen will, der ist ein grosser Lügner. - Wenn man ohne Veranlassung niest, so wird eben von Einem gesprochen; niest Einer in einem fremden Hause, so wird er zu Hause erwartet; wenn man etwas spricht oder denkt und niest darnach, so ist es wahr. - Wenn die Kohle an dem brennenden Kienspan sich spaltet und seitwärts auf rollt, so hat Einer der Anwesenden Sodbrennen. - Wenn bei einer Feuersbrunst der Himmel blutroth ist, so ist es ein Zeichen, dass Thiere darin um gekommen sind; zeigt sich ein rothes Kreuz (nach Anderen eine Säule), so ist ein Mensch verbrannt. - Wenn Jemand etwas lobt, das einem Anderen gehört, so ist es ein Zeichen, dass er neidisch ist, und gerade das Gegentheil wünscht. - Wenn der Bauch juckt, so sind eben alte Weiber in der Badstube.

Omina entnimmt man auch nicht bloss von Ereignissen, sondern auch von Beschaffenheiten. Ein neugeborenes Kind mit verwickelter Nabelschnur wird gedeihen, eins mit glatter nicht; einem Knaben ist es nicht gut, wenn die Nabelschnur um den Hals liegt, er wird dann Soldat werden oder deliriren, einem Mädchen aber wohl, denn es wird reich werden und silbernen Halsschmuck tragen. - Will man wissen, ob eine Schwangere einen Knaben oder ein Mädchen gebären wird, so lässt man durch ein altes Weib Milch aus ihrer Brust saugen; ist diese Milch blass und wässerig, so ist es ein Knabe, ist sie dick, ein Mädchen. Oder bei der Schwangerschaft mit einem Knaben ist der Hof um die Brustwarze dunkelblau, mit einem Mädchen roth, - Eine Tochter, welche dem Vater, und ein Sohn, welcher der Mutter gleicht, werden Glück haben. - Gewisse Linien in der Hand lassen erkennen, dass Jemand verbrennen wird oder vom Blitz erschlagen werden. - Thiere haben bei der Geburt Zeichen an sich, woran sich erkennen lässt, ob sie sich zum Aufziehen eignen, oder ob der Wolf sie rauben wird; um das, was kräftig wächst, und um ein Füllen, das nach Sonnenuntergang noch um seine Mutter springt, hat man Ursache besorgt zu sein. - Ein Balken, welcher beim Fällen oder Behauen Funken giebt oder viel knackt, eignet sich nicht zum Hausbau, er “zieht das Feuer an”. - Wer haarige Arme und Schienbeine hat, ist ein glücklicher Mann. - Wer als Kind viel Läuse hat, wird ein reicher Mann. - Wer eine grosse Gallenblase hat (Mensch od. Thier), ist zornig. -Wer viel Schleim in der Nase hat, ist klug. - Wer undichte Zahne hat, ist freundlich (nach Anderen ein tüchtiger Leser). - Wer grosse Ohren hat, ist freundlich (oder klug). - Wer einen grossen Kopf und kleine Füsse hat, wird reich. - Wer Suturen na der Hirnschale hat, ist geschickt beim Lesen. - Wer zwei Wirbel auf dem Kopf hat, ist geschickt im Reden und Processiren. - Wer straffe Haare hat, ist bös. - Wer weiche Hände hat, ist gutmüthig.

Wenn die Hefen in die Wirze gelegt werden, und diese hoch gärt, so deutet das auf eine glückliche Zeit, gärt sie unordentlich, so ist das eine schlechte Vorbedeutung.

Absichtlich herbei geführte Omina (Orakel) giebt es und gab es verschiedene. Wer im Frühjahr den Kuckuck zum ersten Male hört, fragt: Kuckuck, wie viel Jahre habe ich noch zu leben? Und wie viel Mal als Antwort darauf der Kuckuck seinen Ruf hören lasst, auf so viel Jahre ist zu rechnen.

Man wickelt für sich besonders in Lappen, so dass der Inhalt nicht unterschieden werden kann, etwas Erde, eine kleine Puppe aus Lappen und einen Ring. Greift nun Jemand nach der Erde, so wird er sterben, nach der Puppe, so wird er ein Kind bekommen, nach dem Ringe, so wird er heirathen.

Wenn unter Fischern einer einen Diebstahl begangen hat, so nimmt der Bootsschifferr, nachdem Alle das Boot verlassen haben, von den vari-kalad (den beim Aufnehmen des Netzes von selbst heraus fallenden Fischen), welche seinen Antheil bilden, und legt auf die immer unverändert bleibenden Sitze der Fischer je einen Strömling; von wessen Platz nun die Vögel den Fisch nicht weg bringen, sondern nur zerhacken, der ist der Schuldige.

Wenn ein Kind erst ein oder zwei Jahre alt ist, so legt man ihm verschiedene Dinge vor, und wornach es zuerst greift, das bezeichnet sein künftiges Geschäft. Nimmt es eine Schere, ein Buch etc., so wird es ein Schneider, ein Gelehrter etc.

Um zu wissen ob ein Kranker genesen wird (“kas pöörab või läheb edasi”), giesst man rasch Wasser in ein Gefäss; dreht es sich rechts, so ist es ein gutes Zeichen, dreht es sich links, so wiederholt man den Versuch so lange, bis er günstig ausfällt. Dann wirft man noch neun glühende Kohlen hinein; wenn alle oben schwimmen, so ist es ein gutes Zeichen, je mehr unter sinken, desto bedenklicher ist die Krankheit.

Will man wissen, ob ein schwächliches Kindchen am Leben bleiben wird, so zieht man es an einem Donnerstagabend bei Vollmondlicht von Westen nach Osten durch ein Loch, welches vorher durch einen Eichenstamm gebohrt ist, und lässt beim letzten Mal die Kleider und etwas Quecksilber darin und entfernt sich schnell ohne sich um zu sehen. Wenn der Baum gut fort wächst, so bleibt auch das Kind am Leben, ist aber nach einiger Zeit der Baum ab gestorben, so wird auch das Kind bald sterben; im ersten Falle werden auch die zurück gelassenen Kleider so überwachsen, dass sie nicht mehr zu sehen sind.

Hat eine Kuh gekalbt, so kocht man die Milch und wirft eine glühende Kohle hinein. Wenn diese erloschen ist, so wirft man sie über das Dach, und wenn sie glücklich hinüber geht, so bleibt das Kalb am Leben, wenn sie zurück fällt, nicht. - Will man wissen, welchen Geschlechtes das nächste Kalb dieser Kuh sein wird, so melkt man beim ersten Melken drei Mal durch einen silbernen Ring und wirft ihn in die zum Essen auf getragene Milch. Wenn nun beim Essen der Milch eine Mannsperson den Ring findet, so wird es ein Ochskalb sein, wenn ein Frauenzimmer, ein Kuhkalb.

Wenn man eine Stelle für ein neues Haus sucht, so füllt man in drei Handschuhe Getreide, Erde und Kohlen, und schickt ein Kind ab um einen davon herbei zu holen. Ist es der Kohlen enthaltende Handschuh, so baut man nicht dahin, denn das Haus würde ab brennen. - Beim Bau eines neuen Stalles stellt man auf die erste Balkenschicht in der hinteren Ecke das abgebrochene Hörn eines lebenden Thieres mit Wasser gefüllt; wenn in drei Tagen das Wasser nicht aus getrocknet ist, so ist die Stelle gut gewählt, und das Vieh wird in dem Stalle gedeihen. - Man wirft auf die , Stelle einige Lappen, und findet man nachher schwarze Ameisen darauf, so ist die Stelle gut, rothe bedeuten Untauglichkeit derselben; oder man stellt dahin, wo man zu bauen gedenkt, einen neuen Eimer, und wenn sich nach einiger Zeit Ameisen darunter finden, so ist die Stelle gut gewählt.

Wenn im Frühjahr das Vieh zum ersten Mal auf die Weide getrieben wird, so wirft man ein Ei darüber, und wenn diess nicht zerbricht, so freut man sich dessen als eines guten Zeichens.

Man reiht neun Strömlinge auf einen Messingdraht und hängt sie ins Meer; wohin Wind und Wasser sie führen, nach der Seite hin ist es gut zu fischen.

Beim Werfen des Strohes an die Decke am Weihnachtsabend (vgl.XI) denkt man sich auch allerlei Fragen, und wenn viele Strohhalme an der Decke hängen bleiben, so ist das eine Bejahung. - In alter Zeit hatte man für das Ja und Nein noch ein Paar andere Orakel. Man liess ein Pferd oder einen Ochsen über eine auf der Erde liegende Stange treten; geschah diess mit dem rechten Fuss, so bedeutete es “ja”, mit dem linken “nein”. Oder man tödtete einen Ochsen mit einem Schlage auf den Kopf, und ob er rechts oder links hin nieder fiel, hatte dann dieselbe Bedeutung.

Nach beendigtem Roggenschnitt werfen die Mädchen, in einer Reihe stehend, singend ihre Sicheln über den Kopf hinter sich; wessen Sichel am weitesten geflogen ist, die wird zuerst verheirathet werden. Oder es nimmt ein Mädchen eine Portion Sicheln, geht damit auf einen ebenen Platz und wirft Orakel für verschiedene Personen, nachdem sie die Sichel singend hin und her geschwungen hat. Fährt die Sichel mit der Spitze in die Erde, so wird die betreffende Person in diesem Jahre sterben, wessen Sichel mit der Schneide nach aussen fällt, wird verheirathet werden, wessen mit den Rücken nach aussen, bleibt in unveränderter Lebensstellung. - Oder die Mädchen setzen sich für einige Minuten auf die auf dem Felde noch liegenden Garben und. sehen dann nach, was sich darunter befindet, um daraus Schlüsse auf ihre Zukunft zu machen.

Wenn man von Hause abwesend ist und wissen will, was zu Hause gekocht wird, so braucht man nur sein Messer mit der Spitze voran von oben auf den Tisch fallen zu lassen; bleibt es gerade stehen, so ist es Suppe, schief, so ist es Brei, haftet es gar nicht im Tisch, so wird nichts gekocht.

Heirathslustige Frauenzimmer hängen in der Georgennacht ihr Hemd an einen Zaun, und beobachten dann am anderen Morgen, wenn die Herde aus getrieben wird, was für ein Thier das Hemd beschnüffelt. Ist es eine Kuh, so bleibt die Besitzerin in diesem Jahre noch unverheirathet, ist es ein Ochs, so bekommt sie einen Wittwer, ist es ein Bull, einen Junggesellen. - Oder sie halten ein Marienkäferchen (Coccinella) auf dem Finger und sprechen: lepa-triinu, lepa-triinu, kust polt peig-mees tuleb? Tallina poolt või Tartu poolt? (Marienkäferchen, Marienkäferchen, von welcher Seite wird der Bräutigam kommen? von Reval oder von Dorpat her?); die Richtung des Fluges ist dann die Antwort. - Oder sie sitzen in der Neujahrsnacht drei Stunden ohne sich um zu sehen vor einem Spiegel, dann geht der Bräutigam im Spiegel vorüber. - Oder sie backen am Weihnachtsabend ein Brot mit viel Salz, so dass sie in der Nacht durstig werden, dann giebt ihnen der Bräutigam im Traum zu trinken.