Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

XIV. Bedeutsame und heilige Stellen. Opfer

Eine besondere Bedeutung haben für die Ehsten theils solche Stellen, an welche sich irgend eine Sage aus der Vorzeit oder das Andenken an eine dort vorgefallene Begebenheit knüpft, theils solche, an welchen in der heidnischen Zeit Opfer dar gebracht worden sind, resp. auch noch dar gebracht werden. Der ersten, besonders von der zweiten Hälfte, giebt es eine grosse Menge; und ich beschränke mich darauf nur einige an zu führen um zu zeigen, von welcher Art sie sind: eine Vollständigkeit in der Aufzählung derselben wäre für die Charakteristik des Volkes nicht nöthig. Die Opferstellen werden am besten mit den Opfern zusammen erwähnt werden.

Bei dem Pastorate Röthel und dem Gute Berghof in Ehstland zeigt man auf zwei grossen Steinen die eingedrückten Spuren des Teufels, welcher in riesengrosser Gestalt einen gewaltigen Felsen ins Meer schleuderte, als er zwischen Mohn und dem Festlande einen Damm hatte bauen wollen. - Im Kirchspiel Anzen in Livland ist ein Stein, der Juuda jala kivi, auf welchem man noch die Spuren von den Füssen des Teufels (juudas) zeigt, welcher von da aus aufs Pferd gestiegen war. - Zwei Steine an den entgegengesetzten Enden eines Sees in derselben Gegend rühren daher, dass zwei böse Geister (tondid) eine Brücke über den See bauen wollten, dabei in Zank geriethen und mit grossen Steinen nach einander warfen. - Man vgl. noch XV unter Kalevi-poeg und Tõll.

In verschiedenen Gegenden des Landes finden sich Stellen, wo von Steinen, Stöcken, roh gebildeten Kreuzen und anderem “rihu” (s. d. Wörterbuch), die jeder Vorübergehende dahin wirft, sich grössere oder kleinere Haufen gebildet haben, reu-mägi, reu-nõmm etc. genannt. An diese knüpft sich die Sage von irgend einem dort begangenen Verbrechen, wie Mord, Schändung etc. So ist in Oesel ein solcher reu-nõmm, wo in alter katholischer Zeit sich zwei Hochzeitszüge begegnet und in Streit gerathen sind, wobei der eine Bräutigam getödtet wurde. Um nicht von dem Geiste des Getödteten verfolgt zu werden, wirft, wer vorüber geht, ein Stück Holz oder einen Zweig dahin, und wer diess ein Mal angefangen hat, muss damit fort fahren. Hüterknaben verbrennen von Zeit zu Zeit den so entstandenen Reisighaufen, daher die Feuerstelle darunter.

An der Nordseite Ehstlands in der Nähe des Pastorats Kusal war ein ähnlicher Platz, reu-mägi, auf welchen jeder Vorübergehende einen Stein warf. Darauf wurden bisweilen Knaben gesetzt und gehänselt. Vor einiger Zeit ist diese Stelle zerstört worden.

Hier und da wird das Andenken an Verunglückte dadurch erhalten, dass die Vorübergehenden kleine roh aus Holz gefertigte oder aus Ruthen geflochtene Kreuze auf die Stelle, wo jene um gekommen sind, auf pflanzen oder hin werfen.

Grosse Steinhaufen (vared) an manchen Stellen in Oesel werden von den dortigen Ehsten so erklärt, dass in alter Zeit Hochzeitszüge hier zusammen kamen, mehrere Wochen Hochzeit hielten und dabei um die Wette solche “vared” errichteten.

Bei dem Dorfe Meks, etwa drei Werst von dem Schlosse Neuhausen ist eine Fichte sehr in Ehren, und wird für heilig angesehen, weil sie durch einen hinein gefahrenen Blitz geweiht sei. Die Vorübergehenden verneigen und bekräuzigen sich vor ihr und sprechen: püha pikne! hoia esi jumala viha eest, viha eest ja vitsa eest! hoia kõige kurja eest, töö eest ja teo eest! suur jumal, saada meid heldusega edasi! (heiliger Donner! bewahre du selbst vor Gottes Zorn, vor Gottes Zorn und Ruthe! bewahre vor allem Bösen, vor Arbeit und Frohne! grosser Gott, sende uns mit Freundlichkeit vorwärts). Auch werden Leichen aus der Nähe vor der Bestattung für einige Zeit unter diesen Baum gestellt.

Die Opfer wurden, so lange die Schweden im Lande herrschten, als schwere Verbrechen verfolgt und ünnachsichtlich vertilgt. Später haben die Geistlichen fortgefahren mit Wort und That dagegen zu eifern, wenn auch der Arm der weltlichen Macht allmählich weniger hinein griff. Dadurch ist es geschehen, dass die Opfer sich, wenn auch in der neuesten Zeit noch nicht ganz verloren, so doch in die Verborgenheit zurück gezogen haben; nur bei den Pleskauschen Ehsten sieht man sie noch ganz offen, vor den Augen der Geistlichen selbst, geschehen. Zum Theil sind jetzt die Opfer nur Ceremonien von denen der Opfernde selbst sich wohl keine klare Rechnenschaft in geben weiss, oder sich bewusst ist, wem das Opfer gelten soll; zum Theil aber haben sie dabei auch jetzt noch übermenschliche Wesen im Sinn, deren Gunst sie erwerben oder deren Zorn sie ab wenden wollen, oder von denen sie bestimmte Gegenleistungen, wie Gesundheit, Gedeihen des Viehes und der Felder u, d. gl. erbitten und erwarten. Manche Opfer sind auch noch an besondere Opferstellen, heilige Plätze und Gegenstände gebunden, von welchen am Schluss dieses Abschnitts eine kleine Zusammenstellung gegeben ist. - Im Alterthume scheinen auch Menschenopfer vor gekommen zu sein.

Manche Seen und Flüsse nehmen sich selbst alljährlich ihr Opfer, und man darf einen darin Entrunkenen nicht vor dem dritten Tage heraus ziehen, sonst würden sieb die Unglücksfälle noch mehren.

Wenn aus Dagö die Fischer im Frühjahr an den Pernauschen Strand sich begeben, so giessen sie von dem mitgenommenen Bier das erste Gefäss voll in das Boot mit den Worten: säh, anname poisile esmalt (da, wollen wir dem Burschen zuerst geben). Wenn sie auch unter dem “pois” jetzt vielleicht nur das Boot meinen, so galt das Trinkopfer wahrscheinlich doch wohl ursprünglich einer Gottheit, welche ihnen günstige Fahrt und guten Fang verleihen sollte (vgl. unten das Opfer auf dem Pank in Oesel und vana-pois = Teufel).

Wer auf einem Gottesacker trinkt, muss auch für die Todten etwas auf die Erde giessen.

Zum Schutz des Hauses legte man in die Asche vor der Ofenmündung Opfer an Eiern und Geld, und wenn das Aschenloch geräumt wurde, so trug man die Asche auf die Wiese hinaus zu einem Haufen.

Beim Schlachten, namentlich am Olaustage (s. XI), giesst der Hausvater etwas von dem Blute im Hofe aus; eben so wird auch beim Kochen und Brauen etwas ins Feuer oder an einen anderen Ort gegossen.

Am Michaelistage opferte man auf einem Altar unter einer Linde einen Hahn. Der Hausvater schlachtete den Hahn, die Federn, Füsse und das Eingeweide wurden verbrannt und darauf der Hahn gekocht. Bis das Fleisch gar war, durfte Niemand die Speise berühren. Dann wurde mit entblössten Knien ein Theil des gekochten Hahnes auf den Altar gebracht, das Uebrige verzehrte der Hausvater allein.

Am Abend vor Johannis setzten sich die Ehsten auf eine Anhöhe und hielten im Schatten alter Bäume ein Mahl, nachdem sie vorher Opfer an Butter, Milch, Brot und anderen Esswaaren in die Erde vergraben hatten, damit die Kühe reichlich Milch geben möchten.

In der Pernauschen Gegend wird den “kivi-saksad” (Steinherrschaften), Laren, welche den mahjas kungi der Letten entsprechen, zu St. Georg und Michaelis geopfert.

Von jedem Erstlingsertrag brachte man sonst als Opfer etwas in den Wald, auf Steintrümmer oder Hügel oder auf die Wurzel eines Baumes. Wurde ein Kind geboren, so brachte die Mutter etwas von ihrer eigenen Milch; auch bei neu geborenen Thieren that man das Entsprechende, denn wenn man das Junge vorher von der Muttermilch saugen liess, so musste man gewärtig sein, dass es bald umkommen würde.

Wenn Einer eine weitere Reise unternahm, so verbrannte er vorher Opfer und deckte die Stelle darauf mit Steinen zu.

Tondi-vakk oder Tondi-kogu (Paudel oder Sammlung des tont, s. XV) war ein aus Rinde verfertigter Korb, welcher im Walde oder an wenig besuchten Stellen in Gebäuden versteckt gehalten wurde, und in welchen mancherlei an sich werthlose Dinge als Opfer gelegt wurden, wie Lappen, Stücke von Schuhen, ganz kleine Silbermünzen. Man vgl. dazu den ähnlichen Tõnni-vakk in XV.

Von dem den “maa-alused” (s. XV) dargebrachten Opfer ist auch unter den Heilmitteln schon Erwähnung geschehen (s. XII). Man betet: maa-isandakesed, maa-emandaksed! andke minu tervis kätte, mina annan teile hõbe-valgust (kleine Herren, kleine Frauen der Erde! gebt meine Gesundheit mir, ich gebe euch Silberhelle). Dann nimmt man ein Stück Silber (eine Mütze, Spange etc.), beschreibt damit drei Kreise um den Kopf, drückt es drei Mal auf die kranke Stelle, schabt dann überall hin etwas davon mit einem Messer, in die Winkel, auf den Weg, drückt dann wieder drei Mal, der Kranke speit drei Mal darauf und spricht: kust te' olete tulnud, senna minge, ja mina saagu oma tervis kätte (woher ihr gekommen seid, dahin gehet, und ich möge meine Gesundheit wieder bekommen).

Was die heiligen Stellen betrifft, wo die Opfer dar gebracht wurden, so waren es im Algemeinen Bäume, Steine und Quellen. In die letzten wird besonders Geld geworfen. Heilige Bäume gab und giebt es an vielen Orten. Schon in dem Liber census Daniae (1231-1254) wird in der Nähe des Dorfes Värkäla (jetzt Verkla) des Gutes Paddas in Ehstland eines “lucus sactus” erwähnt; eben so sprechen auch die Chronisten davon, Olearius sah auf seiner Reise durch Ehstland an verschiedenen Stellen, besonders auf Hügeln, Bäume, welche bis in den Wipfel ausgeschnitzelt und mit rothen Bändern umwunden waren, und unter welchen das Volk Gebete hielt und Opfer dar brachte. In Dagö waren noch vor einem halben Jahrhundert “hiie-metsad” (heilige Gebüsche), von welchen Niemand auch nur einen Zweig zu nehmen wagte, weil das Menschen und Vieh Unglück gebracht hätte; ungeachtet des dort herrschenden Holzmangels liess man das abgefallene Reisig in dichten Schichten modern. Unter solchen Bäumen opferte man am St. Georgstag ein Ei, ein Geldstück und ein Büschel Pferdehaare mit einem rothen Faden umwunden, was in die Erde vergraben wurde um Schutz und Gedeihen für die Pferde zu erlangen. Ebenfalls auf Dagö gab es eine grosse hohle Kiefer, in welche man an Donnerstagen bei altem Lichte im Abenddunkel, dass Niemand es sah, Geld und Lappen legte. Das Geld wurde sorgfältig versteckt und bedeckt, damit es Niemand fände, von den Lappen aber glaubte man, dass, wenn Jemand sie weg nähme, Krankheit, Schaden oder sonst Unheil, die man hatte, auf diesen über gingen. Wenn Jemandem ein Unfall zu stiess, so versprach er diesem Baume Gaben zu opfern, wenn das Uebel von ihm wiche, und wenn diess geschehen war, so hielt er gewissenhaft sein Wort.

Bei den festlichen Versammlungen zum Zwecke von Opfern brannte ein Feuer, in welches man auch Gaben warf. Noch vor hundert Jahren begruben die Ehsten gern, wenn es sich irgend heimlich thun liess, ihre Leichen an den heiligen Stätten.

Opfersteine kennt das lebende Geschlecht noch an verschiedenen Stellen. Hupel beschreibt in seinen “topographischen Nachrichten” einen solchen aus seinem Kirchspiel bei dem Gute Kawershof. Er ist roh aus Granit gehauen, gegen 2 Ellen hoch und lang, eine Elle breit, der Fuss beginnt drei Finger breit von der oberen Fläche zurück tretend und spitzt sich nach unten zu. Dieser Altar steht unter einem Baume, in dessen Höhlung man noch jetzt bisweilen kleine Opfergaben findet. - Der kitse-kivi (Ziegenstein) im Gebiete des Gutes Hahnhof im südlichen Livland, soll so genannt werden, weil man dort vormals Ziegen schlachtete und ihr Blut als Opfer verbrannte. Man goss von frisch bereiteten Speisen oder Bier oder von dem Blut geschlachteter Thiere aus, was “valgust viima” (Helligkeit bringen) hiess. gelobte ihnen auch in besonderen Fällen Opfer, was man gewissenhaft hielt, weil man sonst häte sterben müssen. - Auf dem “pank”, der hohen Felsenküste Oesels, ist eine Stelle, wo der Meeresgottheit Bier und Branntwein geopfert wird.

Vier Werste von dem Schlosse Neuhausen bei dem Dorfe Hiniala ist der “päivä-pööramise-mägi” (Hügel der Sonnenwende), auf welchem früher Opfer dar gebracht und Gebete an die Sonne gerichtet wurden, deren Formeln sich noch in der Tradition erhalten haben, z. B. päiväkene, päkäkene, tule väljä! ma otsi sino oraga, kae sino karja-vitsaga (kleine Sonne, Däumchen, komm hervor! ich suche dich mit der Pfrieme, ich sehe nach dir mit der Hirtenruthe). Die Sage erzählt, die Mutter Gottes sei auf den Berg gestiegen mit einem Siebe auf dem Kopfe und einem Eimer voll Wasser in der Hand, die Dorfbewohner aber hätten sie vertrieben, und sie sei von da in das russische Städtchen Petschur gegangen, wo sie eine Kirche baute, pühä Maarja kirk.

Auffallender Weise sind auch Orte christlicher Gottesverehrung als Opferstätten gebraucht worden, wobei sich, wie es scheint, mit den heidnischen Gebräuchen Erinnerungen aus der katholischen Zeit vermischt haben. So fand der oben schon erwähnte Olearius in der Nähe von Kunda, an der Nordküste Estlands, eine verfallene Capelle, wohin am 25. März das Volk häufig wallfahrtete. Wenn man auch hierin vielleicht nur einen bloss katholisches Gebrauch sehen will, der sich in dem damals schon lutherischen Lande noch erhalten hatte, so ist es wohl anders gewesen mit der Kreuzkirche, einem Filiale von Gross-Johannis in der Fellinschen Gegend, zwei Werste von dem Gute Wastemois bei dem zum Schloss Fellin gehörenden Dorfe Wanamois. In einem Protocolle von 1713 werden ausdrücklich Opfer erwähnt, welche dort neun Tage vor St. Georg gebracht wurden; in Folge davon wurde die damals schon in Ruinen liegende Capelle endlich ganz ab getragen. Die Feier hatte manche Aenlichkeit mit der sogleich folgenden der Pleskauschen Ehsten. Es kamen in der Nacht wohl über tausend Menschen beiderlei Geschlechts, alte und junge, zusammen und zündeten ein grosses Feuer an innerhalb des vier Faden langen und drei Fades breiten Gemäuers. In dieses Feuer wurden Gaben geworfen, und die darum sitzenden Bettler, welche es unterhielten, bekamen auch ihren Theil von diesen Gaben. Andere Opfer in Gestalt kleiner Wachsfiguren wurden in die Fenster gestellt, und unfruchtbare Weiber tanzten nackt um die Ruine um fruchtbar zu werden.

Der Johannistag wird von den Pleskauschen Ehsten sehr hoch gefeiert bei dem pühä Jaani kivi (dem Steine des heiligen Johannes) in der Nähe des Dorfes Meks bei Neuhausen. Der Stein liegt auf der Livländischen Seite etwa 20 Schritte von dem Grenzflüsschen (Jaama-jõgi oder Meksi-oja), und eine Viertelwerst südlich davon ist ein Wald Juuda-kond (Teu-felsbezirk) genannt. Schon um Mitternacht versammelt sich ein Haufe Bettler, welche mit entblössten Köpfen um den Stein sitzen und sich flüsternd unterhalten. Gegen Sonnenaufgang strömt das Volk zusammen aus Meks, und aus weiterer Entfernung, aus der Pleskauschen und Ostrowschen Gegend. Aus dem Bethause des Dorfes werden Wachslichte gebracht, angezündet und auf den Stein gestellt. Die Bettler singen darauf im Chor, und die Gläubigen legen ihre Gaben auf den Stein zu hohen Haufen, Butter, Käse, Buttermilch, Käsemilch, Tuch- und Zeugstücke, Strümpfe, Bänder etc. Sich bekreutzigen kniet das Volk um den Stein und flüstert Gebete. Sind die lichte ausgebrannt, so nimmt jeder seine Gaben, schreitet, sich verneigend, drei Mal um den Stein und vertheilt seine Opfergaben an die Bettler, von den Nahrungsmitteln jedoch nur drei Löffel voll. Darauf baden Viele (Männer, Weiber und Kinder) im Bache, von dessen Wasser sie seiner vermeintlichen Heilkräfte wegen auch noch mitnehmen, “pühä läte vesi” (das Wasser der heiligen Quelle). Beim Heraussteigen werden sie von den Bettlern beglückwünscht, denen sie ihr altes Hemd schenken. Einzelne tragen von den umherliegenden Bruchstücken eins auf einem kranken Theile des Körpers drei Mal um den Hauptstein und legen es dann wieder an seine Stelle. Dieser Hauptstein ist etwa drei Fuss lang, zwei Fuss breit und einen Fuss hoch. Zu Mittag zieht Alles zu dem etwa eine Viertelwerst vom Stein entfernten Kruge, wo getanzt, gesungen und gejubelt wird. Die Milch, welche zur Bereitung der Butter und Käsemilch gebraucht wird, muss an vier Donnerstagen kniend gemolken sein, wobei folgendes Gebet gesprochen wird: puhas pühä Jaanikene! hoia mino karja töbrast kodu tullen, kodu tullen karja minnen! õpeta saa puhma taaden karja haljast haina söömä, hoia mõtsan kahju eest, mõtsan kurja eläjä eest! puhas, pühä Jaanikene, luba lehmile piima (reiner, heiliger Johannes! behüte meine Herde und mein Vieh nach Hause kommend, nach Hause kommend und auf die Weide gehend! lehre du hinter dem Gesträuch die Herde das grüne Gras fressen, behüte es im Walde vor Schaden, im Walde vor dem bösen Thiere! reiner, heiliger Johannes, versprich den Kühen Milch).

Die Bewohner der Dörfer Wäk-saar und Sulbi gehen am 24. Juli auf den nahen Anne-mägi (Annenberg), drei Werst Östlich von dem schon oben genannten Beigute Meks, mit Opfern an geräucherten und gekochten Schafbocksköpfen und -Füssen und Wolle. In dem Bethause des Dorfes Sulbi besprengt ein Priester diese Opfergaben mit Weihwasser, behält einen Theil für sich und vertheilt das Uebrige an Bettler, zuerst die ganzen und halben Köpfe, dann die Füsse, zuletzt die Wolle. Beim Schlachten der hierzu bestimmten Thiere wird folgendes Gebet gesprochen: puhas, pühä Ann! hoia ja varja, siita ja soeta, nooruta noorekeisi, väeta vanakeisi! hoia esi puu-tagast ja puhma-tagast, kivi-tagast ja kannu-tagast! Ole esi lamba-karjuses, uma' karjuse' ommava' ullis! ole esi, puhas Anne, karjuse üle-kaeja, hoia esi üle suve kari mõtsan kurja eest, varja kari viha eest, kodun kari kahju eest (reine, heilige Anna! behüte und bewahre, mache fruchtbar und vermehre, verjünge die Jungen, kräftige die Alten! behüte das hinter dem Baum und hinter dem Strauch, hinter dem Stein und hinter dem Stumpf Befindliche! Sei selbst Schafhüterin, die eigenen Hüter sind Dummköpfe! sei du selbst, reine Anna, Aufseherin des Hüters, behüte selbst den Sommer über die Herde im Walde vor dem Bösen, schütze die Herde gegen den Zorn, zu Hause die Herde vor Schaden).

Zwölf Werste von Petschur in der Nähe des Peipus befindet sich eine Kirche, Reedine oder Satserina kirk genannt. Auch hieher bringt man drei Tage vor Jacobi Opfergaben an Käsemilch und Butter. Die Milch zu diesen wird auf dieselbe Weise gemolken wie die zur Johannisfeier (s. oben), aber mit folgendem Gebet: oh pühä' puuslikese', oh hellä' englikese'! oh hiidake ja hirmutage puhma-tagast ja puu-tagast, puu ja puhma varju-tagast! hoitke ja varjake, hellä' englikese'! looge ja lunastage pühä Reedi, Satserina pühä Reedikene! hoitke ja varjake pühä Reedi halvast sõnast, liiast silmast ja kurjast mõttest (o heilige Bilderchen (vgl. XV Ukko), o zarte Engelchen! o schrecket und scheuchet den hinter dem Strauch und hinter dem Baum, den hinter dem Schatten von Baum und Strauch Befindlichen! behütet und schützet, zarte Engelchen! schaffet und erlöset das heilige Reedi, das heilige Reedi von Satserina! behütet und schützet das heilige Reedi vor schlimmer Rede, dem bösen Auge und bösen Gedanken).

Die drei zuletzt geschilderten Opferfestlichkeiten der pleskauschen Ehsten haben freilich ein ziemlich christliches Gewand, daher auch die Geistlichen sie nicht nur nicht verbieten oder hindern, sondern sogar sich dabei betheiligen, die Gebete sind auch an Heilige ihrer christlichen Kirche gerichtet, doch fehlt es dabei auch nicht an Zügen des Aberglaubens, selbst an Erinnerungen aus dem Heidenthum, wie namentlich die Verehrung des Opfersteines.