Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

X. Witterungsomina

Wenn es am Siebenschläfertag (27. Juni) regnet, so wird es noch sieben Wochen, sieben Tage und sieben Stunde regnen; nach Anderen am Siebenbrüdertag (10. Juli).

Wenn der kräunuja kull (Pirol, Oriolus Galbula) schreit, so kommt Regen; man schilt ihn auch: mis sa kräunud? kas vihma küll ei ole saand? (was schreist du wie eine Katze? ist nicht schon genug Regen gewesen). Eben so ist es mit dem Geschrei des Kibitzes.

Wenn bei Sonnenaufgang eine Wolke der Sonne gegenüber steht, so wird es regnen; nach Anderen, wenn es der Sonne gegenüber blau ist.

Wenn die Sperlinge im Sande oder im Wasser baden, so kommt Regen.

Bilden sich Wolkenstreifen am Himmel, so verkündet es Regen.

Wenn der Kienspan beim Brennen stark raucht, so ist Wind und Regen zu erwarten, eben so, wenn die Wolkenstreiten am Himmel zusammenfliessen.

Wenn die Hühner sich rupfen und spät schlafen gehen, so wird es den folgenden Tag regnen; eben so, wenn die Schweine am Abend grunzen, Stroh auf ihr Lager bringen und sich spät zum Schlafen begeben, oder wenn die Spinnen sich tief verkriechen.

Wenn ein heller Fleck (Galle) vor der Sonne sich befindet, so ist der Regen vorüber gegangen und gutes Wetter zu erwarten, wenn hinter der Sonne, so wird es regnen.

Wenn in der Heuzeit ein Rechen auf dem Rücken liegt, so kommt alsbald Regen.

Wenn ein Regen am Vormittag anfängt, so regnet es den ganzen Tag.

Nach einer Windhose kommt starker Regen mit Wind.

Wenn die Eberesche (Sorbus Aucuparia L.) stark blüht, dann giebt es im Herbst viel Regen und Wind.

Wenn die Möwe schreit, oder wenn die Kraniche fort ziehen, so tritt schlechtes Wetter ein.

Wenn es auch die ganze Woche regnet, so pausirt der Regen doch am Freitag.

Wenn bei schlechtem Wetter die Schweine Stroh aus dem Stalle bringen, so wird es gutes Wetter.

Wenn es am Siebenbrüdertag (10. Juli) auch nur so lange Sonnenschein giebt, dass ein Mann unterdessen zu Pferde steigen kann, so wird es noch trockenes Wetter geben.

Wenn im Sommer der Hund Gras frisst oder das Schwein sich erbricht, so ist schlechtes Wetter zu erwarten.

Sonnenschein am Gründonnerstag giebt zwei Wochen trockenes Wetter vor Johanns, am Charfreitag, nach Johannis.

Wenn es am Margarethentage (karuse-päev, 13. Juli) trockenes Wetter ist, so folgt ein schöner, trockener Herbst, wenn viel Preisselbeeren sind, ein feuchter.

Lämmerwolken bringen gutes Wetter.

Wenn der Wind von Westen über Norden nach Osten herum geht, so kommt klares Wetter.

Wenn es des Tag über trüb gewesen ist, aber vor dem Untergehen die Sonne hinter den Wolken hervorbricht, so bedeutet das gutes Wetter; die Ehsfen sagen: päev vaatab tagasi (die Sonne sieht sich um).

Wenn das Feuer raucht, so bedeutet das Wind.

Wenn im Sommer reichlich Vogelbeeren (Sorbus Aucuparia) wachsen, so folgt im nächsten Jahre ein windiges Frühjahr.

Wenn eine Katze scharrt, so kommt Wind.

Sternschnuppen bedeuten Wind von jener Seite her.

Wenn der Wind gegen den Sonnenlauf umspringt, so kommt windiges Wetter.

Wenn das Meer dampft (mere põleb, suitsub, meres on tuld), so wird bald ein Sturm aus Westen kommen.

Wenn die Meerelster oder die Möwe schreit, so kommt stürmisches Wetter.

Wenn die Katze mit den Krallen Holz oder sonst etwas zu sich zieht, so wendet sich alsbald der Wind dahin, wohin dabei ihr Schwanz gerichtet ist.

Wenn im Winter die Hühner sich in eine Ecke drängen und auf dem Bauche liegen, so kommt Stöberwetter.

Strahlen um die Sonne verkündigen grosse Wärme.

Wenn die Singdrossel bei ihrem Erscheinen hoch im Wipfel eines Baumes singt, so kommt ein warmer Frühling, eben so, wenn am Frühlingsquatembertag der Wind von der weichen Seite weht (Süd und West), und der Kuckuck sich zuerst in einem belaubten Laubwald hören lässt, hört man ihn aber in einem unbelaubten oder in einem Nadelwalde, so wird es ein kaltes Frühjahr.

Ein rother Himmel bedeutet Wärme.

Wenn die Nachtschwalben anfangen sich hören zu lassen, so kommen warme Nächte.

Die Lerche bringt warme Mittage, die Schwalbe warme Tage, die Nachtigall warme Nächte.

        Wenn das Birkhuhn beim Neumond auf einem Aste falzt, so wird es beim nächsten Neumond auf der Erde falzen, d. h. es wird Sommer sein.

Frühlingsnebel bedeuten Kälte, Herbstnebel Wärme.

Wenn im Herbst um Bartholomäi (24. Aug.) die Kiefernadeln abfallen, so ist die warme Zeit vorüber, und um dieselbe Zeit des folgenden Monats beginnt der Winter. - Wenn im Februar die Fichtennadeln abfallen, so fangt im März der Schnee an ab zu gehen.

Wenn der brennende Kienspan knattert, so wird es kalt werden, wenn er eine lange Schnuppe hat, so wird es thauen.

Wenn die Birke rauscht, so wird es Thauwetter, eben so, wenn die Ohren jucken, wenn die Hühner auf dem Bauche liegen und baddeln, oder wenn durch kleine Löcher und Spalten der Schnee hereingeweht wird.

Wenn der Hahn auf dem einen Fusse steht, so wird es frieren.

Wenn der “tuhka-nina-tõrs” (ein Meeresstrudel an der Küste von Oesel) brüllt, so verkündigt er Kälte.

Wenn es die Nacht vor und nach Mariä Verkündigung friert, so wird es noch vierzig Nächte frieren, das Frühjahr kalt sein aber der Herbst warm, wenn nur in der Nacht vorher, fast alle Frühlingsnächte; thaut es in beiden Nächten, so giebt es ein warmes Frühjahr, aber im Herbst tritt die Kälte früh ein.

Wenn das letzte Viertel des Mondes Kälte bringt, so ist sie bleibend.

Wenn im Frühling die Blätter lange in den Knospen bleiben, so wird der Winter früh eintreten, fallen sie im Herbst früh ab, so kommt er spät.

Wenn im Herbst die Wölfe oft heulen, so kommt ein strenger Winter.

Wenn der Kuckuck noch nach Johannis sich hören lässt, so tritt der Winter erst spät ein, wenn er schon vor Johannis aufhört, früh.

Wenn zur Zeit des Herbstquatembers der Wind aus Westen oder Süden weht, so kummt ein milder Winter, wenn aus Norden oder Osten, ein strenger.

Wenn es ver St. Georgs gewittert, so wird der Sommer kühl sein.

Wenn im Herbst der Alpenhase weiss wird, so giebt es bald Schnee.

Wenn die Gänse fort ziehen, so kommt Reiffrost, wenn die Schwäne, Schnee.

Wenn im Herbst die Zugvögel hoch fliegen, so wird im Winter tiefer Schnee sein.

“Nach Mariä Verkündigung schläft der Frost kein Hühnerei mehr entzwei”.

Wenn zu Lichtmess der Ochs unter der Dachtraufe zu trinken findet, so findet der Hahn am Marientage (25. März) nicht so viel, um mit dem Schnabel zu nippen; oder “küünla-kuise sula vastab vastla-kuu ära” (für Thauwetter des Februars verantwortet der März).

Wenn es am Martinitag friert, so wird Weihnacht mildes Wetter sein.

Wenn die Bachstelze (nach Anderen der Hänfling) im Frühjahr erscheint, so soll das Eis anfangen abzugehen, denn es ist ein “jää tallaja lind oder jää pööritaja lind” (ein das Eis zertretender od. umkehrender Vogel); oder lina-västrik tallab kevade jõed jälle lahti, ja lõukesed sulatavad lume väljalt ära (der Hänfling tritt im Frühjahr die Flüsse wieder los, und die Lerchen schmelzen den Schnee von den Feldern).

Ein Omen für den Winter nimmt man aus der Milz der Schweine: ist sie vorn dünn, so ist der erste Theil des Winters schneearm, ist sie dick, schneereich; - oder aus der Milchstrasse: wenn an dem östlichen Ende die Sterne dicht sind, so kommt der Winter schnell, wenn am westlichen Ende, so ist die zweite Hälfte kalt, ist sie fleckig, so wird der Winter mild sein, wenn im Herbst die Milchstrasse zu beiden Seiten des Himmels niedrig ist (?), so kommt der Winter früh, ist sie in der Mitte breit und hell, so wird ein schneereicher Winter sein.

Die zwölf Tage von Weihnacht bis zum Dreikönigstag gelten als Vorbedeutung für die Witterung der zwölf Monate des nächsten Jahres.

Die Sternkundigen beobachten von Mariä Himmelfahrt bis Weihnacht die vier Gestirne der Milchstrasse (Perseus, Fuhrmann, Cassiopeja, Schwan) und entnehmen einem jeden ein Omen für einen besonderen Theil des Winters, besonders was die Schneemenge betrifft.

Aus Form und Stellung des Neumondes entnimmt man Verschiedenes. Sind die Hörner spitzig (terane), so bedeutet es Kälte, stumpf (unine eigentl. schläfrig), so bedeutet es Wärme, zugleich auch ungesunde Witterung, Krankheiten und Sterben. Ferner: kuri kuu on kummuli, hea kuu on seljali (böser Mond liegt vorn über, guter Mond auf dem Rücken), oder soe kuu sõrveti, külm kuu külleti (warmer Mond auf der Kante, kalter Mond auf der Seite), als Vorbedeutung von Wärme und Kälte.

Wenn nach Sonnenuntergang der Hahn auf seiner Stange noch kräht, so ändert sich am folgenden Tage das Wetter.

Wenn die Lerche bei Neumond erscheint, so wird im Frühjahr das Wetter unbeständig sein.

Wenn eine Hagel- oder Gewitterwolke einem Gebüsche nahe kommt, so verändert sie ihre Richtung.

Sprüche. Jõulu-kuu ütles: ma olen külm küll, aga üks jalg lonkab (der Decembar sagte: ich bin wohl kalt, aber ein Fuss ist lahm) wegen der wechselnden Witterung. Nääri-kuu ütles: ma olen kõige külmem (der Januar sagte: ich bin der kälteste). Küünla-kuu ütles: ma oleksin külmem kui sina, aga üks silm jookseb vett (der Februar sagte: ich wäre kälter als du, aber ein Auge trieft), weil die Sonne schon wirkt. - Kui Märt ei mäetä, siis Kadri kaotas, Simmu sääd silda (wenn Martin nicht Fäulniss bringt, so zerstört Katharine und baut Simon die Brücke). - Märt matab, Kadri katab, Andres arutab, Nigulas needab (Martin deckt zu, Katharine bedeckt, Andreas trennt auf, Nicolas nietet), d. h. M. macht den Boden fest, K. deckt Schnee darauf, A. löst die Höcker auf und füllt die Zwischenräume, N. macht Land und Weg gleichmässig fest und hart. - Kadri kuseb, Andres paneb pulga ette (Katharine harnt, Andreas steckt den Pflock vor), kui Mart kapsib kasukaga, siis Kadri ripsib riidega (wenn Martin im Pelz einher läuft, so spritzt Katharine das Wasser aus dem Kleide).