Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

XVI. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

Früher haben nicht allein die Thiere gesprochen, was in Volksliedern nicht selten vorkommt, sondern auch die Bäume.

Gewisse (neunerlei, vgl. XI) am Johannisabend gesammelte Kräuter haben besondere Kraft, theils zum Heilen von Krankheiten, theils böse Geister ab zu halten.

Der Wacholder ist gut gegen neun und neunzig Krankheiten. Der Rauch von Wacholder von eines dritten Herren Gebiet vertreibt die Raupen im Kohlgarten.

Der Seidelbast ist des Teufels Strauch und darf nicht verbrannt werden, sonst fängt der Teufel an das Haus an zu zünden und ihm Schaden zuzufügen. Den Pferden, welche ihre Stricke zerbeissen, dreht man welche aus dem Bast des Seidelbastes.

Wenn ein Feld viel Disteln trägt, so vertilgt man sie dadurch, dass ein Mann nackt drei Furchen mit dem Pfluge darüber zieht.

Unter dem Farnkraut verbirgt sich der Juudas (Teufel), wenn er in Noth ist. - Der Farn treibt um Mitternacht, wenn man auf einen Morast geht so weit, dass man keinen Hahnenruf mehr hört, und wenn man mit einem Stabe von Vogelbeerholz um sich und den Farnbusch einen Kreis zieht, eine gelbe Blüthe. Wenn man diese ab pflückt und zu etwas Heiligem legt (in die Bibel u. d. gl.), so verleiht sie Glück und Stärke. Unzählige böse Geister kommen zwar dazu, um sich dieser Blüthe zu bemächtigen, allein man braucht sich vor ihnen nicht zu fürchten und kann ruhigen Schrittes nach Hause gehen.

Der Eberesche (Sorbus Aucuparia L.) werden grosse Kräfte zugeschrieben. Sie sichert gegen Schlangenbiss und dient vielfach gegen Verzauberung (vgl. XIII).

Das Erlenholz ist gut als Anzündungsholz (süüde), denn es brennt nicht nur selbst leicht, sondern facht auch anderes Holz an.

Die Drachenwurz (Calla palustris L.) hatte Gott als Surrogat des Brotes geschaffen und ein Fauler lebte ein Mal davon allein. Da kam der Teufel zu ihm und sagte: du magst nicht arbeiten und gesellst dich auch nicht zu mir, wovon nährst du dich denn? Von dem, was hier ist, war die Antwort. Da setzte sich der Teufel auf den gesammelten Vorrath, und seit dem ist die Wurzel scharf und giftig geworden. Der Mann aber gesellte sich doch nicht zu ihm, sondern fing an zu arbeiten.

Die den Kohl Pflanzenden müssen weisse Kleider an haben, dann wird der Kohl weiss, er darf aber nicht am Freitag gepflanzt werden, sonst wird er bitter. Die während des Pflanzens Vorübergehenden wünschen Glück: suuri päid ja lakjo lehti! (grosse Köpfe und breite Blätter). Antwort: vaja (nöthig). Man pflanzt auch “Glückskohl” für einzelne Personen, und wenn die Pflanze gut wächst, so bedeutet das Glück für dieses Jahr.

Manches Holz ist gefährlich, weil es Feuersbrunst erregt, und es darf daher weder als Brennholz noch zum Häuserbau noch zu Zäunen gebraucht werden; es ist daran kenntlich, dass es auf der horizontalen Durchschnittfläche in der Mitte bläulich gefärbt ist und schwärzliche Adern zeigt.

Einige essen das Blut der Thiere nicht, weil die Seele darin enthalten sei.

Ein Ertrunkener liegt so lange auf dem Gesichte am Boden, bis die Gallenblase geplatzt ist, dann steigt er wieder an die Oberfläche.

Ein Jüngstgeborener ist am geschicktesten dazu ein verrenktes Glied wieder einzurichten.

Es giebt zwei Kategorien von Menschen, die pferdeartigen (hobuse seltsi) und die marienartigen (Maarja seltsi); die Letzten sind schwächlich; die Erstell robust, nichts ficht sie an. Die Weiber dieser Kategorie haben etwas Männliches, sind kräftigen Geistes und gebären sehr leicht.

Früher sprachen alle Thiere, so lange die Steine noch weich waren und wuchsen.

Die Butte wurde stumm, weil sie Jesus nach gespottet hatte.

Manche Thiere werden als Gesellschafter des Teufels an gesehen, so das Schwein, der Frosch, die Eidechse.

Die Meermensehen sind diejenigen, welche ertranken, als Pharao mit seinem Heere im rothen Meere um kam.

Ein Hund, welcher im Schlafe die Vorderbeine kreuzweise hält, wird nicht vom Wolf gefressen. - Wer sich einen Hund bringt, muss ihn drei Mal am Schwanz zwischen Zaunstangen hindurch ziehen, dann wird er nicht bös. - Wer sich einen jungen Hund von anders woher zum Viehhund auf ziehen will, muss ihn in einer alten Hose auf die Handmühle legen, drei Mal den Stein um drehen und dabei sprechen: ma jahvatan sind kurjaks (ich mahle dich zu einem bösen). Dann nimmt er ihn heraus und bringt ihn in den Viehstall, und er wird nun das Vieh gut bewahren.

Den Seehund mag man eben so wenig bei seinem eigentlichen Namen nennen wie den Wolf oder den Bären. Beim Fang wird die grösste Heimlichkeit beobachtet, so dass auch diejenigen, welche den Fängern Proviant bringen, diesen stillschweigend durch ein Loch in die Fischerhütte schieben. Auch muss das Herz bei dem Fange sein, so dass man z. B. nichts fängt, wenn man vor Kurzem geheirathet hat und beim Fange an die Frau denkt.

Den Wolf hat Gott nicht geschaffen das Vieh zu schädigen, sondern die külm-kinnad (s. XV) zu vertilgen, welche er denn auch eifrig verfolgt. Wer sich selbst entleibt hat, kommt nicht eher zur Ruhe, als bis er durch einen Wolf gegangen ist. - Die Wölfe sind die Hunde des heiligen Georg (püha Jüri kutsikad), und werden durch diesen im Winter ein Mal monatlich vom Himmel herab gespeist. Sie liegen dann auf dem Bauche, erheben ein eigenthümliches Geheul und richten den Rachen in die Höhe um ihre Speise zu empfangen. Diese ist weiss, wolkenartig, zitternd (Tremella Nostoc?), und soll nach Zucker schmecken. Ein Mädchen wollte sie dabei belauschen, wurde aber von ihnen bemerkt und zerrissen; man fand nachher von ihr nur die grosse Zehe des linken Fusses. - Um sich stärker zu machen, sollen die Wölfe blauen Thon fressen aus Bächen und Löchern, daher der Name dafür (hundi-sau). - Im Frühling heulen die Wölfe, damit man das Winseln ihrer von Mücken geplagten Jungen nicht höre. Um das Nest zu finden, steigt man Nachts auf das Dach, und dann sieht man von der Stelle im Walde, wo es sich befindet, Rauch auf steigen. - Wenn man in der Nacht Wolfskoth findet, so bringt man ihn nach Hause, verbrennt ihn, räuchert das Vieh damit, und glaubt, dass der Wolf es nun den Sommer über nicht sehen wird, auch wenn er mitten durch dasselbe hin ginge. - Einen Wolf aus einem fremden Kirchspiel darf man nicht an tasten oder an schreien, sonst wird man ihn nicht mehr los. - Mit einem Stein darf man nach einem Wolf nicht werfen, sonst wird er noch wüthender und gefährlicher, denn sein Herz soll ein Stein sein. Begegnet man einem, so muss man sagen “Küla-mees, pool teed sulle, teine pool mulle” (Gevatter, der halbe Weg für dich, die andere Hälfte für mich), oder “kääna sa oma teed, mina lähen oma teed” (wende du dich auf deinen Weg, ich gehe meinen Weg), dann geht er zur Seite. - Wenn der Wolf durch das Vieh hindurch geht ohne es zu beschädigen, so sagt man, er werde geritten. - Ein zwischen den Stangen befindliches Pferd oder einen Ochsen an der Deichsel darf der Wolf nicht zerreissen. Als einer es doch gethan hatte, musste er dessen Stelle vor dem Wagen einnehmen, und der Wagen wurde so zur Warnung an den Himmel gesetzt (im Gestirn des grossen Bären). - Hat ein Wolf ein Thier zerrissen, so muss er sich sorgfältig vom Blute rein scheuern; ist diess zu riechen, wenn er unter andere Wölfe geht, so wird er von ihnen zerrissen. - Bekommt ein Wolf im Winter kein Hundefleisch zu essen, so hat er im Sommer keine Jungen. - Wirft man dem Wolf ein wollenes Kleidungsstück nach, so lässt er das ergriffene Schaf fallen; droht man ihm aber mit einem eisernen Werkzeug, so wird er nur desto erbitterter. - Ein Thier, welches sich verlaufen hat, zerreisst der Wolf nicht, und ein Thier, welches drei Mal von ihm ist an gebissen worden ohne getödtet zu werden, greift er auch nicht mehr an. - Der Wolf hat keine Höhlung im Kopfe. - Wenn er vor Sonnenaufgang den Rachen nicht öffnet, so muss er ihn den ganzen Tag lang geschlossen halten. - Wenn der Wolf kommt, so ist er klein, bringt Schlaf, raubt die Stimme, wenn er fort geht, ist er gross wie ein Füllen. - Ausser den natürlichen Wölfen giebt es auch unnatürliche. Einige sind durch den Zauber böser Menschen in Wölfe verwandelte Menschen. Solche Wölfe haben vor dem Menschen keine Scheu, laufen den Fahrenden nach, kommen so gar in die Höfe, und wenn sie dort einen Menschen treffen, so beschnuppern sie ihn nur, freundlich mit dem Schwänze wedelnd, ohne ihm Uebles zu thun. Dagegen aber schadet es ihnen auch nicht, wenn man, auf sie schiesst. - Von den aus blauem Lehm entstandenen Wölfen s. XV unter kodu-käijad, von dem Wärwolf unter soend.

Das Wiesel oder den Marder (lahits, nirk) darf man in einem Hause mit einer Feuerstelle nicht nennen. Wo sie sich finden, da muss man Hausthiere von ihrer Farbe halten, welche dann gedeihen.

Wer eine Katze tödtet, dem zittern die Hände. Wenn ein Kutscher es thut, so gedeihen die Pferde nicht. - Wenn man eine Katze auf den Wagen nimmt, so ermüden die Pferde bald. - Wenn ein Mädchen gegen eine Katze unfreundlich ist, so wird es an seinem Hochzeitstage schlechtes Wetter haben.

Die Ziege ist des Teufels eigenstes Thier, daher fürchtet sie sich auch mehr als andere Thiere beim Gewitter, durch welches der Teufel verfolgt wird (s. XV).

Die Mäuse vermeidet man zu nennen, damit sie nicht schaden; man bezeichnet sie euphemistisch mit dem Namen jooksjad (Läufer).

Die Kuh hat ursprünglich Zitzen am ganzen Bauche gehabt, die Katze aber hat sie ab gefressen bis auf die vier, welche der Hund mit seinen Pfoten bedeckte; darum giebt man auch die erste Milch von einer frisch milchenden Kuh einem Hunde.

Von dem Pferde verlangte einst der Herr, da er noch auf der Erde wandelte, es sollte ihn über einen Fluss tragen, aber es erwiederte: ich habe nicht Zeit, ich muss fressen. Eben so weigerte sich auch das Schaf, aber der geduldige Ochs trug ihn hinüber. Dafür kann nun der Ochs immer während der Zeit des Ruhens von der Arbeit sich satt essen, Pferd und Schaf aber müssen immer grasen, ohne sich sättigen zu können.

Als der Hase einmal flüchtete, erschreckte er durch seine Hast eine Herde Schafe so, dass sie aus einander stob. Diese Furcht vor einem Hasen kam dem Hasen selbst so komisch vor, dass er in ein unmässiges Gelächter ausbrach, wovon ihm die Oberlippe platzte.

Wenn man einen Bären in einen Stall führt, so gedeihen die Thiere gut, und das böse Auge kann ihnen nicht schaden. Man nimmt daher einen Bärenführer mit seinem Thiere sehr gern auf. Will der Bär nicht in den Viehstall gehen, so ist dieser verhext, mistet er aber darin, so ist Alles in gutem Zustande. Auch einem Jungen Ehepaar bringt es Glück, wenn in dessen Ehebette ein Bär geschlafen hat. - Ein junges Mädchen spottete einst über das minder hübsche Aussehen einer Gottheit und wurde dafür in einen Bären verwandelt. Ein abgehäuteter Bär hat darum grosse Aehnlichkeit mit einem Mädchen, besonders an Brust, Hüften und Beinen.

Eine Fledermaus bringt Unglück oder Zwietracht in das Haus, wo sie nistet. - Wenn man mit ihrem Blute den Pflug bestreicht, so wächst das Getreide nicht. Sie gilt überhaupt für ein Unglücksthier, und man bittet Gott, Einen davor zu behüten, dass man sie sehe.

Wenn man den Eiern oder Jungen eines Vogels im Nest die Zähne zeigt, so verlässt sie die Mutter.

An ein todtes Thier machen sich Vögel nicht eher, als bis eines Menschen Auge darüber gegangen ist.

Einige Vögel - Kuckuck, Pfau, Schwalbe, nach Einigen auch die Taube - sind aus Menschen entstanden.

Im Frühjahr darf man nicht aus dem Hause gehen ohne etwas gegessen oder getrunken zu haben, denn wenn man nüchtern etwas hört, “was im Winter nicht zu hören gewesen ist”, wie die Stimme eines Vogels, so ist das schädlich. Man nennt das “linnu petet sööma” (etwas als Vogelbetrug essen), das heisst damit den Vogel betrügen, ihm zuvorkommen, und lind petab (der Vogel betrügt); eben so heisst es auch z. B. sarv petab (das Horn betrügt), wenn man vor St. Georg nüchtern das Kuhhorn des Hirten hört. Wer sich von einem Vogel so hat betrügen oder übertölpeln lassen, der muss während des Jahres auf allerlei Missgeschick gefasst sein (vgl. unten), war es namentlich ein Kuckuck, so darf er kein Thier füttern oder im Herbst zuerst an binden, sonst gedeiht es nicht, sondern magert ab u. d. gl., oder er wird selbst kränklich und stirbt auch wohl vor dem nächsten Frühjahr. Man schützt sich dagegen dadurch, dass man einen Baum umfasst oder drei Mal um denselben geht und jedes Mal in die Rinde beisst oder mit des Zähnen etwas davon ab reisst; dann geht das Unglück auf den Baum über, und er verdorrt. - Mancher nimmt, um nicht überrascht zu werden, schon Abends ein Stück Brot ins Bett, damit er schon vor dem Aufstehen etwas zu geniessen hat.

Auch umgekehrt wird der Vogel selbst betrogen und zwar von der Sonne, wenn er den Sonnenaufgang verschlafen hat; er soll dann an diesem Tage nicht fliegen können.

Mythische Vögel sind sini-siibu-tsirk (d) (Vogel mit blauen Flügeln), mit gelben Füssen, welcher als Botschafter aus toonela (s. XV, tooni) Todesnachrichten bringt, und hüüpre (d) im Flusse Voo oder Võhand, welcher schlechte Zeiten, besonders Hungersnoth verkündigt, wenn er den Schnabel heraus streckt und neun Mal “hüüp” ruft (ist wohl die Rohrdommel, hüüp oder hüüpel).

Der Baum, auf welchem ein Adler nistet, wird zum Schiffskiel genommen.

Wenn man die Beccasine nüchtern im Frühjahr zuerst hinter sich wiehern (hirnuma) hört, so wird man im Sommer seine Pferde nicht finden können, wenn vor sich, so wird man einen lustigen Sommer haben und viel lachen; hört man sie meckern (tikutama), so wird man seine Zehen gegen einen Stein stossen. Andere sagen: wenn sie wiehert, so wird man viele Hölzer an der Pflugschar verderben, wenn sie meckert, so wird es ein froher Sommer werden. Noch Andere (im Süden) distinguiren noch genauer und sagen: hört man im Frühjahr die Beccasine zuerst “vettelago, vettelago” singen, so hat man im Sommer Glück bei jeder Arbeit; ist es “vetterpilli, vetterpilli”, so wird es Hochzeit geben; ist es “rikut, rikut”, so wird man bei jeder Sache Unglück haben.

Wenn Gänse (auch Schwäne oder Kraniche) beim Ziehen unordentlich fliegen, und man ihnen zuruft “handa, handa, handa” (in die Reihe), oder “hanikese handa, emä esä ette ja latse' poja' perrä” (d) (Gänschen in Reihe, Mutter und Vater voran, Kinder und Junge hinter drein), so ordnen sie sich so gleich.

Wenn ein Fink einem Thier unter dem Bauche hindurch fliegt, so wird es Blut harnen; dasselbe geschieht, wenn man ein Finkennest zerstört.

“Betrügt” der Kuckuck, so tritt namentlich das oben Angegebene ein. Er lässt seinen Ruf hören so lange, bis die Gerste Frucht bildet; dann fährt ihm eine Gerstengranne in den Hals, und er wird zum Habicht. - Wenn der vom Kuckuck “Betrogene” im Allgemeinen mit seinem Vieh kein Glück hat, so soll diess sonderbarerweise bei den Schweinezüchtern gerade umgekehrt sein. - Der Kuckuck ist aus dem Herzen eines Waisenkindes entstanden (vgl. VI).

Wenn die Nachtigall “betrügt”, der wird im Sommer oft seine Kleider an brennen.

Der Pirol allein wollte nicht, wie die anderen Thiere thaten, bei dem Graben des Embachflusses mit helfen, dafür darf er nun nicht von der Erde oder aus dem Bache trinken, sondern nur mühsam von den Blättern. Wer ihn im Frühjahr zuerst noch nüchtern hört, der wird mancherlei Verlust in diesem Jahre haben, namentlich bei der Flachsernte.

Der Rabe, auch valge lind (weisser Vogel) genannt, war wirklich weiss geschaffen, und erst später, nachdem er Aas gefressen, oder nach Anderen weil er, um sich nicht zu beschmutzen, nicht mit helfen wollte, als Gott die Flüsse ausgrub, bekam er zur Strafe ein schwarzes Kleid, indem er von dem Altvater in eine Theertonne gesteckt wurde, während die Elster nur einige Schläge mit der eisernen Ruthe erhielt. Er hat nur noch eine einzige weisse Feder im Flügel, die er aber sorgfältig verbirgt und, wenn er geschossen wird, weg wirft oder abnagt. Wer sie bekommen kann, erlangt damit “kõik maa ilma tarkus” (aller Welt Weisheit), und was er damit schreibt, hat die Kraft Alle zu überzeugen. - Wer Arzt werden will, muss am Gründonnerstag Morgens die Eier aus dem Nest eines Raben nehmen, sie kochen und wieder hinein legen. Wenn der Rabe zurück kommt und die Eier gekocht findet, so fliegt er wieder fort und bringt einen Stein, welcher die Kraft hat die Eier wieder roh zu machen. Dann geht man Nachmittags wieder hin und nimmt den Stein, mit welchem man Kranke gesund und sogar Gestorbene lebend machen kann. - Fliegt ein Rabe über den Weg, so muss man die Pferde oder sich selbst drei Mal um drehen und aus speien, dann erst darf man die Reise fort setzen.

Störche bedeuten Unglück. Wo einer in der Nähe nistet, da kommt Viehsterben, oder es stirbt ein Mensch. Man sucht sie daher zu verjagen, wenn sie sich zeigen.

Die Taube ist früher ein frommes Mädchen gewesen, welches sich im Walde verirrt hatte; ein Engel gab ihm ein Federkleid, dass es empor fliegen und so sich hinaus finden konnte.

Mit dem Höcker des Frosches hat es folgende Bewandtniss. Er verklagte einmal bei dem Altvater Kinder, welche im Walde gegessen und dabei Brosamen auf die Erde gestreut hatten, die Spinne aber rechtfertigte die Kinder damit, dass sie ja dort keinen Tisch gehabt hätten. Da warf voll Aerger der Altvater den boshaften Ankläger auf die Erde, der dabei auf einen Stein fiel und das Genick brach, die mitleidige Spinne aber liess er sanft an einem Faden hinab; darum soll man noch jetzt der Spinne kein Leid thun, einen Frosch aber unbedenklich überall erschlagen dürfen.

Die Kröte ist eine Tochter des Juudas (s. XV), und man kann sie nur tödten durch Spiessen auf eine Stange. - Sie heisst pada-konn (Kesselfrosch), weil sie in die Erde vergrabene Schätze (ehstn. raha-pada) anzeigt aus Dankbarkeit für empfangene Wohlthaten. - Sie lebt im Schmutz, weil sie, als ein Nagel von dem Kreuze des Erlösers herab fiel, aus rief: der Nagel ist in den Koth gefallen. - Die Kröten bringen Kühen Glück, wo sie im Stalle sind, da geben die Kühe viel Milch, und die Hausfrauen bringen daher welche hinein; anders wo sagt man ihnen nach, dass sie gerade den Kühen die Milch aus saugen (vgl. XV, puuk).

Schlangen hielt man früher in den Häusern als Glück bringendm (vgl. XV, kratt); auch in neuester Zeit noch haben Seefahrer sie mit sich geführt als Schutz gegen Unfälle und um günstigen Wind zu haben. Nach Adam von Bremen sollen im Alterthum die Ehsten bei der Schlangenverehrung sogar Menschenopfer begangen haben. - Unschädlich kann man die Schlangen dadurch machen, dass man ihnen Tabaksöl ins Maul schmiert. - Eine Schlange wollte eine Viehhüterin, welche mit Nähen beschäftigt war, beissen; diese stiess, als einzige Waffe, ihre Nadel in die Schlange und entfloh. Als sie am folgenden Morgen wieder dahin kam, fand sie, dass die Schlange sich in eine goldene verwandelt hatte, und wurde sehr reich. - Wer eine gewisse Schlange, wenn sie aus der Erde kriecht, fängt, in einem verschlossenen Kessel kocht und von ihr isst, der versteht die Sprache der Thiere. - Die Blindschleiche hatte sich vermessen in einer Nacht die Augen von neun Menschen zu zu machen (d. h. sie zu tödten), dafür wurde sie blind; sie wird aber vieder sehend, wenn es ihr gelingt in die Nabe eines zerbrochenen Rades zu kriechen, was man daher zu verhüten bestrebt ist. Ist sie durch einen Schlag in Stücke gesprungen, so trägt die Eidechse diese wieder zusammen, und sie fliessen dann segleich wieder zusammen; daher muss man immer wenigstens ein Stück vernichten oder entfernen. - Die Schlangen haben einen König mit einem Kamm auf dem Kopfe; wer einen solchen Kamm isst, der versteht alle Vogelsprachen, der Kamm muss aber verdeckt gekocht werden, dass der Dampf nicht entweicht. Nach Anderen hat der Schlangenkönig zwei Köpfe. Wenn man diese vor St. Georg ab haut und bei sich trägt, so bringen sie Glück, behüten vor Krankheit, machen gesund etc., wer aber die Schlange selbst ins Haus bringt, hat Unglück davon. Nach noch anderen Angaben hat der Schlangenkönig einen goldenen Ring um den Hals. Wirft man ein wollenes Kleidungsstück darauf, so fällt er ab, und giebt dem, welcher ihn bekommt “aller Welt Weisheit”. Man kann den Ring auch bekommen, wenn man den Schlangenkönig mit einem Schlage tödtet, so dass er den Ring nicht verschlucken kann. Es ist aber sehr gefährlich, denn wenn er nur einen Laut von sich geben kann, so eilen sogleich Hunderte von seinen Unterthanen herbei und fallen über den Angreifer her. Ein Jäger rettete sich in einem solchen Falle dadurch vor den ihn Verfolgenden, dass er hinter einander Mütze, Rock und Wams ihnen zum Zerreissen hin warf und unterdessen mit seinem raschen Pferde entkam. - Nach der Meinung der pleskauschen Ehsten ist die Schlange von dem Väär-jumal aus Sand geschaffen, der Jumal aber bestimmte, dass sie nie durch Lein gehen solle, daher ein mit Lein bekleidetes Bein vor ihrem Bisse sicher ist. - Wer von einer Schlange gesehen wird ohne dass er sie sieht, bekommt einen blaurothen, flechtenartigen Ausschlag im Gesicht (kõmetas).

Der Wels soll darum immer in Flüssen leben und sich nicht ins Meer wagen, weil er fürchtet, dort zu einem Kaulbarsch zusammen zu schrumpfen.

Ein junger Mensch (Mann oder Weib) darf einen Fisch mit rother Warze (reiaga kala) nicht essen, sonst werden seine Kinder gebrechlich. - Der Aal soll davon sterben, wenn man etwas von Stahl auf ihn legt.

Die Krebse haben die Augen hinten. Gott ging einst an einem Bache hin und fragte die Krebse, wo der Weg sei. Sie antworteten schnöde: kas silmad perses? (sind die Augen am Hinteren). Zur Strafe dafür wurden ihnen selbst die Augen an den Hintertheil gesetzt.

Läuse auf dem Venushügel werden geduldet als Schutz gegen Schwangerschaft und gegen den Zorn und die Strafen der Herrschaft.

Wenn der Maikäfer, welcher Einem oft an den Kopf fliegt, auch nur ein einziges Haar mit nimmt, so fängt man an zu kränkeln.

Wenn man den Mistkäfer Abends bei bewölktem Himmel fliegen sieht, so kann man daraus erkennen, dass die Sonne schon untergegangen ist.

Die Mücke rühmt sich: mina mees olen Mihkli-päevani, parm sitt pask Pärdi-päevani (ich, Kerl, bin bis Michaelis, die Bremse, der Lump, nur bis Bartholomäi).

Wenn man den Zug der Processionsraupe findet, so muss man ein Vaterunser beten, und ihn vom Vorderende an entwirren, dann hat man eine glückliche Hand, z. B. Wöchnerinnen zu helfen.

Der Haarwurm soll da, wo Pferde geschwemmt werden, aus ihren Haaren entstehen.

Die Steine sind aus den zerbrochenen Gesetztafeln Mosis entstanden. Der Wind verwehte den Staub, als sie zermalmt wurden, über die Erde, und aus jedem Staubkörnchen erwuchs ein Stein, Die “Weisen” wissen aus der ebenfalls auf ihnen zerstreuten Schrift noch allerlei heraus zu lesen, namentlich das Schicksal der Menschen. Besonders reich an Schrift sind oft Kalksteine, in diesem Falle Maarja-kivid (Mariensteine) genannt.

Beim Gewitter Fährt der Prophet Elias im Himmel mit einem eisernen Wagen, Andere erklären das Geräusch dadurch, dass der Donner mit gläsernen oder steinernen Kugeln rasselt; sie sollen wie ein grosser Garnknäuel an der Erde hin rollen, und man hat versucht mit einer Sense hinein zu schlagen. Beim ersten Gewitter im Jahr ruft man “kus kivi, kus kivi” (wo ist ein Stein) und klopft mit einem Stein oder sonst etwas Hartem drei Mal gegen die Stirn, dann ist man sicher, in diesem Jahre nicht vom Blitz getroffen zu werden. Während des Gewitters darf man sich nicht unter einen Baum begeben, keine leere Tasche haben, nicht Schürze oder Rock auf heben, keinen leeren Lägel ohne Stöpsel und keine leere Messerscheide (worin die Insulaner immer ein Messer zu tragen pflegen) bei sich führen etc., damit nicht der im Gewitter von Gott verfolgte külm-king oder Teufel (vgl. XV) eine Stelle finde, wohin er sich flüchten und eventuell den Blitz nach sich ziehen könnte. Der Blitz ist des Donners Vorläufer, und mit ihm wirft das Gewitter eine Kugel oder einen Keil, pitkse nool (Pfeil des Donnerers), welche Alles zerschmettern; sie fahren da, wo der Blitz einschlägt, sieben (nach Anderen neun) Faden tief in die Erde hinein, und steigen dann jährlich um einen Faden wieder herauf. Man findet sie dann, wenn sie auf die Oberfläche oder nahe an die Oberfläche gekommen sind, bisweilen und wendet sie bei Zauberei oder als Medicin an gegen “rabandus” (s. XII). Wo ein Blitz gezündet hat, da kann man nichts heraus tragen und den Brand nur mit süsser Milch löschen; Einige meinen, man dürfe gar nicht versuchen zu löschen, weil Gott selbst das Feuer angezündet habe. Wenn Rauch in der Stube ist, so schlägt der Blitz nicht hinein. - Wenn es gewittert, so fürchten sich besonders die Ziegen aus Sympathie für den Teufel, dessen besonders eigene Thiere sie sind.

Die Flecken im Monde werden verschieden erklärt. Sie stellen Kain und Abel vor, der Erste hat eine Keule in der Hand, der Andere liegt auf dem Rücken vor ihm; oder zwei Diebe wollten den Mond bestehlen, stiegen mit einer Leiter hinauf, durften aber nicht mehr zurück kehren und sind jetzt noch dort zu sehen; oder ein Holzdieb nahm, um nicht bei dem hellen Mondschein bemerkt zu werden, einen Eimer voll Theer und stieg zum Monde hinauf um ihn mit Theer zu überschmieren, wurde aber auch sammt seinem Geräth dort zurück behalten. - Im Mondschein darf man nicht schlafen, sonst wird man mondsüchtig, “kuu varjab ära”. Schwächliche Kinder werden im Mondchein gewogen, dann sollen sie besser gedeihen. - Den Neumond begrüsst man mit den Worten: sina vanaks, mina nooreks (du mögest alt werden, ich jung). - Auf den Mond (oder auf einen Stern) darf man nicht mit dem Finger zeigen, sonst fault der Finger ab, oder (nach Anderen) sonst wird man zu ihm hinauf gezogen.

Mond und Sonne sind persönliche Wesen, und päeva-vari (Sonnenschein) und kuu-vari (Mondschein) ihnen untergeordnete. Sie haben bisweilen mit Ungeheuern zu kämpfen, von welchen sie ganz oder zum Theil verzehrt werden, worauf sie dann sogleich wieder von neuem geschaffen werden; wenn man es sehen will, so braucht man nur einen Eimer voll Wasser hinaus zu bringen, in welches sich der Mond oder die Sonne ab spiegeln, dann kann man sehen, wie sie von grossen Schlangen gefressen werden. Wenn eine Mondfinsterniss eintritt, so soll das für Schützen und Fischer eine sehr günstige Zeit sein an ihr Geschäft zu gehen. - Einige meinen, wenn die Sonne unter gehe, so verfaule sie, und am anderen Morgen erscheine dann wieder eine andere.

An der Deichsel des Wagens im grossen Bären ist ein kleiner Stern (Reiterlein) dicht bei einem grösseren; diess ist ein Wolf, welcher den einen von zwei Stieren an der Deichsel zerriss, und nun selbst an dessen Stelle neben dem anderen ziehen muss.

Cometen bedeuten Unglück.

Wenn eine Sternschnuppe fällt, so stirbt zugleich irgend wo ein Mensch.

Das Nordlicht bilden Kämpfer der Oberwelt mit feurigen Schwertern aus welchen, wenn sie an einander geschlagen werden, Funken sprühen, und Manche wollen auch das Geklirr gehört haben. Sein Erscheinen verkündigt Unheil; Einige meinen auch, das dorthinwärts, wo es sichtbar ist, Kampf und Krieg ist.

Das Irrlicht ist ein “raha-tuli” (Geldfeuer), der Schein von einem in der Erde verborgenen Schatz. Bei vergrabenem Golde ist der Schein gelb, bei Silber weiss oder grünlich, und er zeigt sich in der Weihnachts-, Neujahrs- und Epiphaniasnacht. Gelingt es Einem, etwas Silbernes oder Kupfernes in diess Feuer zu werfen, so bekommt er den Schatz. Das Geldfeuer brennt erst. wenn die Abendröthe erloschen ist.

Die Landseen wandern zuweilen hoch in der Luft von einem Ort zum anderen, wobei auch Fische auf die Erde herab fallen. Die Seen erscheinen dann als eine grosse, schwarze Wolke, voran schreitet ein schwarzer Stier, welcher mit seinen goldenen Hörnern das neue Bett gräbt. Im südlichen Livland ist ein kiriku-mäe järv (Kirchbergsee), welcher auf solche Weise sich da nieder liess, wo eine Kirche stand, deren Glocke noch jetzt sich hören lässt, wenn ein Unwetter eintreten wird.

Wenn der Wind heult, so sagt man, dass die Kinder des Windes weinen, oder dass auf dem Meere ein grosses Schiff untergehe.

Das Schäumen des Bieres beim Gären kommt daher, weil Noah mit dem Schaum eines Ebers zuerst das Bier zum Schäumen gebracht hat.