Aus dem innerem und äusseren Leben der Ehsten
F. J. Wiedemann


Inhalt

Vorwort

1. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte

2. Umschreibende, bildliche und verblümte Bezeichnungen und Redensarten

3. Sprichwörtliche Vergleichungen

4. Wünsche, Verwünschungen, Betheuerungen, Spitznamen

5. Räthsel

6. Deutungen von Vogelstimmen und anderen Lauten, Buchstaben

7. Spiele

8. Gebräuche bei Vorkommnissen des Familienlebens

9. Haushalt
a) Regele und Gebräuche
b) Omina für den ländlichen Haushalt

10. Witterungsomina

11. Bedeutung gewisser Zeiten und Tage im Jahr und was an denselben gethan oder unterlassen werden muss

12. Heilmittel, natürliche und sympathetische

13. Zauber und Mittel dagegen

14. Heilige und bedeutungsvolle Stellen, Opfer und Gebräuche bei denselben

15. Uebermenschliche Wesen

16. Abergläubische Vorstellungen von natürlichen Wesen und Naturerscheinungen

17. Abergläubische Vorstellungen von Andeutungen dessen, was geschieht oder geschehen wird (Omina, Orakel)

18. Verschiedene abergläubische Gebräuche und Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen

XIII. Zauber und Mittel dagegen

Zauberer und Hexen (die Ehsten unterscheiden das Geschlecht sprachlich nicht) giebt es verschiedene, mit mehr oder weniger Macht ausgerüstet. “Soola-targad” (Salzweise) oder “soola-puhujad” (Salzbläser) bedienen sich des Salzes bei ihren Zaubereien, “sõna-targad” (Wortweise) oder “lausujad” (Sprecher), “pobisejad” (Murmeler) gesprochener Zauberformeln, “tuule-targad” (Windweise) haben über den Wind Macht, “mana-targad” (vgl. mana XV), im Volksliede öfters erwähnt, erscheinen als besonders mächtig, “kivi-targad” (Steinweise) verstehen die geheimsten Dinge von den Steinen zu lesen. Jeder Stein - besonders reichlich Kalksteine - ist mit wunderbaren Schriftzeichen versehen, aber nur Wenige verstehen sie zu entziffern. Auf ihnen steht das Schicksal jedes einzelnen Menschen geschrieben. Diess erklären die kivi-targad so: als Moses die Gesetztafeln an dem Berge Sinai zerbrach, verwehte der Wind den Staub über die ganze Erde, aus jedem Stäubchen erwuchs ein Stein, und auf jedem ist das Gesetz und die Zukunft der Menschen verzeichnet.

Die Festländer in Ehstland scheuen sich sehr mit den Insulanern in Streit zu gerathen, weil sie als Zauberer gefürchtet sind, besonders die Sõrulased (von der Halbinsel Sworbe auf Oesel) und die Kõplased (von der Halbinsel Köppo auf Dagö).

Die Zauberer begeben sich in der Sylvesternacht an eine solche Stelle, wo drei Zäune zusammen stossen, d.h. das Ende eines von der Seite senkrecht auf einen anderen ausgeht; dort erfahren sie, was in dem beginnenden Jahre geschehen wird. - Sonst ist die Johannisnacht die Zeit, in welcher Hexen und Zauberer besonders thätig sind, mit ihrer Kunst Anderen zu schaden.

Wenn man zu einem “tark” kommt, so singt er: mina lausun ehk ei lausu, raha võtan, mitte ei jäta (ich werde sprechen oder auch nicht sprechen, das Geld nehme ich, lasse es nicht).

Die Hexen sollen auf Ziegenböcken reiten und so sich zu ihren Versammlungen begeben.

Anstatt “jumal appi” (Gott zu Hülfe) sagen die Hexen als Gruss “teie töö ja minu jõud” (eure Arbeit und meine Kraft).

Eine Hexe rief bei der Wasserprobe: noore kuu laps, noore kuu laps ei vaju alla (das Kind des Neumondes geht nicht unter).

Wenn ein Weib eine Kröte im Busen trägt und an der Brust saufen lässt, so wird sie eine Hexe, sie kann dann Gutes und Böses zu fügen, krank und gesund machen etc. - Wer an drei Donnerstagen Abends unter dem Schweife einer weissen Stute hustet, erlangt ebenfalls die Zauberkraft.

Sonst wird die Zauberkunst auch erlernt, und sie wird von Vater oder Mutter auf die Kinder übertragen, auch auf Andere, aber nur auf je Einen, und möglichst kurz vor dem Tode. Ein Zauberer, welcher das verabsäumt, hat einen qualvollen Tod.

Mancher hat den “bösen Blick” und kann schon durch blosses Ansehen Schaden zu fügen. Er ist ein “sääratse verega inimene” (ein Mensch von solcher Constitution), und weiss oft selbst nicht, dass er diese Beschaffenheit hat. Wenn ein a “böses Auge” zu sieht oder ein “böser Mund” etwas erwähnt oder davor warnt, dann gelingt etwas nicht, oder dann geschieht gerade das Unheil.

Die Mittel zum Verzaubern sind mannichfaltig. Das Blut einer Fledermaus hat Zauberkraft, weil der Altvater, als er eine Hexe zur Strafe in eine Fledermaus verwandelte, vergass ihr Blut um zu wandeln. - Schweinshauer sind ein Zaubermittel, doch habe ich nicht genauer erfahren können, wie und wann sie verwendet werden. - Geheiligtes Altarbrot, wenn man es bei der Communion nicht zerkaut und verschluckt, sondern aus dem Munde zurück nimmt, bringt grosses Glück und wird bei Zaubereien gebraucht. - Fleisch, Knochen, Eier, Federn, Krebsscheren dienen häufig dazu. - Die Nabelschnur der Kinder wird ebenfalls dazu aufbewahrt, auch zu Asche verbrannt und eingenommen. - Salz wird in ein Läppchen gebunden und mit “sõnad” (Zauberworten) zu dem getragen, welchem man schaden will; wer so etwas findet, beeilt sich es zu verbrennen, wobei es dann einen starken Knall giebt. Auf der anderen Seite ist aber Salz an sich auch ein viel gebrauchtes Mittel gegen Verzauberung; Salzsäckchen trägt man auch bei sich um sieb fest zu machen. - Holzsplitter ins Kreuz gelegt werden gebraucht um an dem Gehen auf einem Wege zu hindern. - “Niduma” ist ein hexendes Binden von Bändern.

Wenn man bei starker Kälte das Wetter milder machen will, bringt man drei kleine, heisse Steine auf die Spitze einer Schneetrift, und nennt diess “pakase munna põletama” (die Hoden der Kälte verbrennen).

Ein faules Ei Jemandem hin gelegt, bringt ihm Unglück, Knochen aller Art zusammen gebunden Krankheit. Krankheit bringt man auch dadurch bei, dass man die Spur eines Menschen mit einem Stöckchen ausmisst und dann dieses vergräbt, oder dass man die Kleidungsstücke verhext.

Die Ernte schädigt man auf verschiedene Weise. Man bestreicht Jemandes Pflugeisen mit dem Blute der Fledermaus, dann tritt sicher Missernte ein, auch Sichel, Sense, Beil, und wo dann mit diesen geschnitten oder gehauen ist, wächst nichts wieder. - Man sucht sich von dem neuen Getreide und dem daraus gebackenen Brote eines Anderen etwas zu verschaffen und legt diess in den Rauch zum Trocknen, eben so auch Milch, damit dem Anderen Brot und Milch schwindet, bei dem Thäter aber zunimmt. - Wenn ein Anderer zum ersten Mal Getreide zum Darren auf gestellt hat in der Dreschscheune, so legt man ihm Eier auf die Ofendecke; um ihm zu schaden. - Man knotet auf seinem Felde mehrere Haime zusammen.

Will man machen, dass die Kühe eines Anderen nicht mehr milchen, die eigenen aber desto besser, so nimmt man heimlich von der Pforte und an der Schwelle der Viehburg und des Stalles gekreuzte Strohhalme und kocht sie mit dem Heu. - Um überhaupt das Vieh zu beschädigen, gräbt man in einen fremden Düngerhaufen oder unter der Schwelle des Stalles etwas Fleisch ein, oder schmiert die Pforten mit Hexensalbe, oder man verbrennt in der Gründonnerstagsnacht Knochen auf den Wiesen und streut das Pulver vor die Thür des Viehstalles. - Ein Viehhüter kann dem anderen durch Zauber den Wolf zu schicken.

Menschen und Thiere, wenn auch nicht gerade zu tödten, aber doch krank zu machen und zu peinigen, dienen die Hexeneier, Eier von Hühnern, Gänsen, Enten oder nach Einiger Meinung von den Hexen selbst verfertigt, über welche diese Formel ausgesprochen ist: saagu sulle häda ja mulle õnn, sina oled mulle kurja teinud, kuri vaim kuulgu mind, see muna on sest tähenduseks, sest pead kurba meelt saama (möge dir Noth werden und mir Glück, du hast mir Uebles gethan, der böse Geist höre mich, diess Ei sei die Bezeichnung davon, dadurch sollst du Trauer haben). Ein solches Ei bringt die Hexe dahin, wo Menschen und Vieh viel gehen, und wer dann es zertritt, Mensch oder Thier, auf den kommt die Krankheit. Findet der Bedrohte ein solches Ei, so muss er es, ohne es mit der Hand oder sonst zu berühren, vorsichtig mit einer eisernen Schaufel auf nehmen und damit in das Loch von einer Zaunstange tragen, aber so dass es beim Hineinfallen nicht zerbricht, und es mit Erde zu decken. Will er den Schaden auf den Zauberer selbst wenden, so muss er das Ei auf dieselbe Weise in eine Radnabe gleiten lassen, und diese, nachdem sie mit einem Pflock aus Ebereschenholz verstopft ist, mit ihrem Inhalte in eine Quelle bringen. Die Nabe muss an einem Donnerstagabend mit Reifen von Ebereschenholz gebändert sein.

Um zu hindern, das der Brotteig aufgehe, legt man in den Brottrog den abgeriebenen Staub von einem Schleifstein.

Will man ein Mädchen verhexen, dass es nicht verheirathet wird, so legt man einen Hasenschädel unter die Pforte.

Liebeszauber hat man mancherlei. Man tödtet eine Schlange, sticht mit einer Nadel drei Mal in die Augen derselben und versucht dann mit dieser Nadel durch den Rocksaum eines Frauenzimmers zu stechen; gelingt diess, so folgt es Einem überall hin. - Wenn man ein Paar Frösche in der Paarung findet, so legt man sie in einen durchlöcherten Kasten und vergräbt diesen in einen Ameisenhaufen. Nach einiger Zeit sind sie von den Ameisen zu Skeleten ab gefressen, und an diesen finden sich ein Paar Knochen in Gestalt eines Hakens und einer Gabel, und diese dienen als Philtrum. - Man kocht Haare aus der Achselhöhle, und bringt sieben Tropfen davon mit Speise oder Trank dem Frauenzimmer bei, dessen Liebe man erwerben will. - Ebenfalls Haare aus der Achselhöhle und von der Scham werden in Schweiss getaucht in Brotteig zu einem Brötchen (karva-kakk oder karva-kook genannt) gebacken, während der Verschmähte ein obscönes Lied singt; wenn er von diesem Brote dem Mädchen zu essen geben kann, so ist er ihrer Liebe sicher. - Ein Mädchen gewinnt die Liebe eines Mannes, wenn es drei Sonnabende Abends in die Badstube geht, dort von dem ganzen Körper, ohne ihn nass zu machen, mit einem wollenen Läppchen den Schweiss ab wischt, und dann, wenn es Gelegenheit hat dem geliebten Manne Wasser zum Trinken zu bringen, diese drei Läppchen in das Trinkwasser taucht und da hinein wieder auspresst.

Wenn man am Weihnachts- oder Neujahrsabend fremden Schafen etwas Wolle abschert, diese verspinnt, und davon Fäden in den Rock einzieht, so bewahrt diess gegen den Zorn der Herrschaft und schafft Einem immer Recht vor Gericht. Ein Mittel gegen den Zorn der Herrschaft (saksa viha) ist es auch, wenn man drei Mal in einem Athem das Vaterunser betet.

Einen Schuldigen, namentlich einen Dieb ausfindig zu machen, hat man besonders zwei Wege: l) “Kaaluma od. arpu katsuma”. Ein Schlüssel, in dessen Bart ein Kreuz ist, wird in ein Gesangbuch gelegt und eingeklemmt, indem man die Haken zumacht, dann wird an den Griff ein Faden gebunden und das daran hängende Gesangbuch gedreht; wohin nun der Schlüsselbart zuletzt zeigt, da ist der Uebelthäter. Oder man hält den Schlüssel, an dem Faden hängend, über einem Gesangbuch, und lässt ihn allein sich drehen. Oder man befestigt eine Spange mit dem Dorn an einen Faden, lässt ihn so an einem Finger hängen, und spricht dabei: arva, arva, arbukene! käi, käi, preesikene! käi kümne tuule poole, käi jõgede poole, järve poole etc. (sinne, sinne kleines Loos! bewege dich, kleine Spange! bewege dich nach zehn Winden hin, bewege dich nach den Bächen, nach dem See etc.); dabei denkt man sich die verschiedenen Namen, und bei welchem die Spange sich dreht, dahin ist das Gestohlene gebracht, oder von da her ist der Schade gekommen. Oder man hält den Ring des ins Gesangbuch eingeklemmten Schlüssels ganz locker auf den Spitzen der beiden Ringfinger; wenn nun bei einem der verschiedenen Personen, welche der Zauberer nennt, oder an welche er denkt, das Buch sich dreht und sammt dem Schlüssel nieder fällt, so ist das der Schuldige. Oder der Zauberer hält einen silbernen Ring an einem Faden hängend, und der Bestohlene nennt verschiedene Personen, welche den Diebstahl begangen haben könnten, und bei wessen Namen der Ring sich dreht, der ist der Uebelthäter. Oder man steckt den Verdächtigen Strohstückchen von gleicher Länge in den Mund, und bei wem das Stückchen im Munde gewachsen ist, der ist der Schuldige. - 2) “Viinaga katsuma”. Der Zauberer bringt Branntwein durch Schwanken und Schütteln in Bewegung, dann zeigt sich auf demselben das Gesicht des Diebes. Oder er bespricht Branntwein in der Flasche, giebt dem Bestohlenen davon zu trinken, trinkt auch selbst, dann erscheint darauf das Bild des Diebes; ist dieser aber so klug gewesen, beim Aufbrechen des Kastens oder Schrankes diesem den Rücken zu zu kehren, so zeigt sich auf dem Branntwein sein Bild ebenfalls von der Rückseite.

Man kann auch den Dieb so quälen, dass er selbst das Gestohlene zurück bringt um Ruhe zu haben. Ein Zauberer bespricht dazu Branntwein, und giebt solchen Personen davon zu trinken, welche der Bestohlene in Verdacht hat. Oder man beschneidet die Nägel an der rechten Hand und dem linken Fuss, dann an der linken Hand und dem rechten Fuss, so dass man bei dieser Operation ein Kreuz vor sieh macht. Einen Tag später verbrennt man die Schnitzel und giebt sie dem vermeintlichen Dieb ein; hat man den Rechten getroffen, so bringt er das Gestohlene selbst zurück.

Den Viehhütern verkaufen Zauberer Hirtenstäbe, durch welche das Vieh vor allerlei Schaden geschützt ist. Es sind ziemlich dicke Knüttel aus Ebereschenholz mit verschiedenen eingeschnittenen Zeichen. Die mit Geld erkauften haben ihre Wirkung das eine Jahr hindurch, die mit einigen Tropfen Blut erkauften für immer.

Gegen den bösen Blick und das Wort des Neidischen (kade od. sant silm, kaehtaja) sucht man sich auf verschiedene Weise zu schützen. Man trägt Asa foetida unter der Brustspange (sõlg); man haut von der Schwelle der Thür, durch welche ein solcher Mensch gegangen ist, etwas ab und verbrennt es, oder man verbrennt etwas von seiner Kleidung; man speit drei Mal aus gegen ihn; man schüttet heisse Asche auf seine Fusstapfen, wenn er fort geht; wenn ein böses Auge oder eine böse Zunge über ein Kind gegangen ist, so lässt man es durch drei Garnsträhnen kriechen und badet es mit “kaetuse-rohi” d. h. Thymian (Thymus Serpyllum L.). Wenn man Bienen hat, und ein neidisches Auge dessen, welcher keine hat, darauf gesehn hat, so bringt man in dessen Vorrathshaus Hühnerfüsse und -Flügel, Knochen, Krebsscheren, und legt davon auch um seine Bienenstöcke. Für übelwollenden Neid hält man es nicht bloss, wenn Jemand das rühmt, was man hat, sondern auch wenn er über seine eigenen Umstände klagt, wobei man annimmt, dass er sie dem Anderen an wünscht; in einem solchen Fall muss man aus speien und sprechen: suust välja nina sisse! (zum Munde heraus in die Nase). Gegen das Bewundern des Kindes legt man einen Stein von der Ofendecke (keris) in Wasser, schiebt das Kind drei Mal durch die linke Hose und tröpfelt von dem Wasser drei Mal mit dem linken Ellenbogen auf dasselbe; oder man wäscht einen eisernen Kessel rein, macht ihn über dem Feuer recht heiss, giesst dann etwas Wasser hinein, nimmt den Kessel vom Feuer, deckt ein umgekehrtes Sieb darüber, legt das Kind darauf in den Dampf und räuchert es zugleich mit Thymian (Thymus Serpyllum L.) und drei Strohhalmen, welche man aus dem Dachrande an der Nordseite genommen hat.

Damit keine Hexe ins Haus komme, schlägt man drei Hufnägel in die Thürschwelle.

Wenn ein Hochzeitszug sich nach der Kirche in Bewegung setzt, so muss der saja-vanem (s. VIII) mit dem linken Fuss ein Kreuz vor dem Pferde beschreiben und bei sich sprechen: im Namen des dreieinigen Gottes. Dann verliert der oft angewandte Zauber seine Macht, wodurch die Pferde des Zuges störrisch werden und nicht vom Flecke wollen, aber doch so angegriffen sind, als ob sie die schwerste Last gezogen hätten. Auch dem, welcher den Brautkasten führt, wird oft das Fuder durch Hexerei unerträglich schwer gemacht. Dann muss er absteigen, vor das Pferd gehen, seine Hemdspange abnehmen und durch diese und zugleich zwischen Kummet und Hals des Pferdes hindurch nach dem Kasten sehen; dann erblickt er die Hexe mit einem grossen Stein im Schoosse auf dem Kasten sitzend.

Wenn beim Säen der Säemann einen goldenen oder silbernen Ring trägt und Schuhe an hat, so kann keine Hexerei dem Felde schaden.

Gegen Verhexung des Viehes nimmt man ein Stof Salz, betet darüber in einem Athem drei Mal das Vaterunser nebst der Taufformel, geht damit drei Mal um die Viehburg und lässt immer etwas davon aus der Hand laufen, bis es zu Ende ist. Oder man legt unten an die Thür, durch welche die Thiere hinaus gehen, und in ihr Ohr etwas Salz. Oder man beschreibt mit einem Stücke Geld einen Kreis um den Kopf des Thieres. Oder wenn man in der Nähe des Viehstalles “almused” findet, d. b. zum Verhexen dort hingelegte Eier, rohe Fleischstücke, Fäden etc. (s. oben), so fasst man sie vorsichtig mit zwei Hölzchen und trägt sie drohend und scheltend auf einen Ameisenhaufen, in den Ofen, in die Nabe eines Rades, welche man mit Ebereschenholz verschliesst, und fügt hinzu: tule homme seda asja otsima, mis mull ei ole (komm morgen die Sache suchen, die ich nicht habe). Eben so muss man die mit Hexensalbe beschmierten Stellen sorgfältig wegschaffen und verbrennen. Oder man schiesst auf solche Stellen und Gegenstände mit einer Ladung von grobem Salz, welches dann dem Schuldigen in den Hinteren fährt. Oder man bringt das durch Verhexung gestorbene Thier auf eine sandige Anhöhe, haut ihm die Füsse ab, holt aus dem Walde ein Stück Kieferholz, haut es in neun Stücke und vergräbt es, dann wird der Zauberer großen Schaden haben; will man seinen Tod, so haut man auch den Kopf ab. Oder man nimmt Herz, Lunge und Leber des, wie man meint, durch Verhexung gestorbenen Thieres heraus, sticht drei grosse, neue Nadeln ins Herz und kocht dann Alles verdeckt; wenn der Schuldige an fängt dadurch Schmerz zu leiden, so kommt er und sucht aus dem geschädigten Hause etwas zu kaufen oder zu leihen, wodurch das angewandte Mittel seine Kraft verlieren würde, man darf ihm aber nichts geben, damit er durch den Schmerz genöthigt wird den Zauber auf zu heben, wodurch man wenigstens fernerem Schaden entgeht. - Wenn Ferkel geboren sind, so muss man sie mit unter der Thür genommener Erde und mit Stroh aus dem Schweinestall selbst räuchern, dann schadet ihnen kein Zauber. - Wenn das Vieh Läuse hat, so schreibt man das ebenfalls der Verhexung zu. Der zu Hülfe gerufene “tark” nimmt dann neun Läuse, ladet sie in eine Flinte und schiesst sie gegen Norden, dann kehren sie zu dem Verzauberer zurück, und er wird sie nie wieder los; der Schiessende muss sich aber unmittelbar nach dem Schuss schnell um wenden, sonst kommen die geschossenen Läuse in seine Augen und machen ihn blind. - Pferde schützt man gegen Verzauberung dadurch, dass man einen todten Raubvogel im Stalle auf hängt.

Ist die Milch verhext, so bohrt man in Ebereschenholz einem Aste gegenüber ein Loch, giesst Milch hinein, spundet es fest zu und legt das Holz auf den Ofenherd ins Feuer; dann kommt der Schuldige und bekennt selbst seine That. Ist das Milchgefäss verhext, so wäscht man es mit einem Krugsbesen.

Wenn ein anderes Weib das Gefäss zum Buttern verhext hat, dass die Butter nicht zusammen geht, so muss man das Melkgeschirr dem Bullen zum Beschüffeln bringen.

Ist das Kofentgefäss verhext, dass das Getränk nicht sauer wird, so lässt man ein Pferd hinein niessen, oder man maischt mit einem Bettelstabe.

Ist der Brottrog verhext, dass der Teig nicht auf geht, so deckt man die Hosen eines Burschen darüber, oder man lässt ein Ferkel darin fressen.

Ist der Braubottich verhext, dass das Bier nicht gären will, so lässt man ebenfalls ein Ferkel daraus fressen.

In Butter, Getreide, Salz und Anderes in einem Gefässe muss man ein Kreuz drücken, damit kein Zauber damit vor genommen werde, und damit es gut aus reiche.

Ist die Flinte verhext, so legt man sie unter die Schwelle, nimmt Erde vor der Thür, wo Alles hinüber gegangen ist, und Asa foetida und räuchert damit die Flinte. Oder um den Uebelthäter zu strafen vermacht man das Zündloch au der Flinte mit einem Holzsplitter, giesst Wasser in den Lauf, verstopft diesen mit einem Pflock von Ebereschenholz und legt die Flinte über der Oeffnung auf den Ofen, wo man sie während drei Heizungen liegen lässt, dann wird den, welcher die Flinte verhext hat, Obstruction befallen. Gleiches erreicht man überhaupt, wenn man von dem Verzauberer ein Kothstückchen vergräbt und darüber einen Keil ein schlägt; der Schuldige muss, um sein Leiden los zu werden, kommen und den Keil heraus ziehen, wodurch er sich selbst verräth.

Wenn man durch Branntwein, welchen ein Anderer giebt, nicht verhext werden will, so muss man, bevor man ihn hinunter schluckt, etwas davon aus speien.

Wenn man eine Schlange und einen Frosch im Streit sieht, sie trennt, und dann noch drei Mal zwischen ihnen hindurch geht, so ist das ein allgemeines Mittel gegen Verhexung von Glück und Gedeihen im Haushalte.

Ein allgemeines Mittel, eine Verzauberung zu heben, ist auch das Blut des Verzauberers, der blutig geschlagen werden muss.

Bei den Zauberformeln, den Beschwörungen ist das allein oder doch vorzugsweise Wirkende, wenn auch bisweilen noch eine bestimmte Handlung damit verbunden ist, in das gesprochene Wort gelegt, ehstn. “sõnad” (Worte). Sie werden grossentheils zur Heilung von Krankheiten und Schäden an gewandt (vgl. XII), aber auch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten, auch um Schaden zu zu fügen, wie die oben besprochenen Zaubermittel, und als Verwünschungen. Eine grosse Anzahl derselben ist schon bekannt gemacht und commentirt in den von unserer Akademie herausgegebenen “Mythischen und magischen Liedern” vom Kreutzwald und Neus 1854, und ausser diesen und den hier mitgetheilten giebt es wohl noch viele andere, denn die Wissenden und Gebrauchenden halten damit sehr geheim; so dass es nicht leicht ist, sie zu erfahren. Die südlichen Ehsten glauben, dass in der Universitäts-Bibliothek zu Dorpat noch ein sechstes und siebentes Buch Mosis auf bewahrt werden, die man den Leuten aber nicht in die Hände gebe, und darin sollen Zaubersprüche aller Art enthalten sein, pahuse-sõna' (zum Besprechen der Rose), maru-s. (Windsegen), tule-sõna' (Feuersegen), tühüse-s. (gegen Stiche) etc., auch besondere vannutamise-s. (beim Schwörenlassen), welche bewirken, dass der Meineidige sogleich hin fällt und stirbt.

Bemerkenswerth ist es, dass in den Zaubersprüchen selten die Hülfe des Teufels und böser Geister angerufen wird, sondern dass der Mensch selbst mit seinem Zauberwort als mächtig genug erscheint oder sich an Gott und die Jungfrau Maria auch wohl an Heilige wendet. Zu manchen Heilungen dient geradezu das Vaterunser, die Taufformel, die Anrufung der Dreieinigkeit (vgl. XII); dass in den Zauberformeln die Zahl drei vielfach vor kommt, soll darin seinen Grund haben, dass Christus in Gethsemane drei Mal gebetet hat. Dem Zauberworte wird solche Kraft bei gelegt, dass z. B. mancher “tark”, welcher einen blutstillenden Spruch kennt, sich scheut seine Thiere zu schlachten, weil, wenn die Zauberworte ihm zufällig dabei in den Sinn kämen, auch bei diesen das Blut auf hören würde zu fliessen.

So wie auf der einen Seite also die Worte schon wirksam sind, wenn sie bloss gedacht werden, so ist auf der anderen Seite bisweilen auch die Form eines Zwiegesprächs nöthig, was ich auch bei den stammverwandten Liven gefunden habe. Vielleicht ist aber in dem letzten Falle das Wort nicht eigentlich als Hauptagens, nicht als wirkliche Zauberformel an zu sehen, sondern nur als die solenne Beigabe zu dem Heilmittel, wie auch sonst ohne die dialogische Form (vgl. XII). So wird bei der Atrophie das kranke Kind an drei Donnerstagen, in die Schürze einer Wittwe gebunden, mit der Handwage gewogen, entweder einfach so (vgl. XII “Hundekrankheit”), oder mit diesem, drei Mal wiederholten Zwiegespräch begleitet: A. mis sa mõõdad? B. ma mõõdan koera-tõbelist last. A. mõõda nenda et abi saab. B. jumal aidaku (A. was wägst du da? B. ich wäge ein hundkrankes Kind. A. wäge es so, dass Hülfe wird. B. Gott helfe), vgl. XII, b, Hodengeschwulst.

In den von einer Generation der anderen überlieferten Formeln scheint manches Wort corrumpirt zu sein; manches ist ganz unverstandlich, gewiss auch denen selbst, welche sie gebrauchen. Sprüche bei den mannichfaltigsten Veranlassungen giebt es unzählige, und sie würden allein schon ein ansehnliches Heft füllen; es kann hier nur eine verhältnissmässig kleine Probe davon gegeben werden.

a) Sprüche zum Heilen von Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen

Gegen Brandschäden. Varesele valu, harakale haigus, kärbile kibedat, mustale linnule muid tõbesid, lapse sõrmi kohe terveks (der Krähe den Schmerz, der Elster die Krankheit, dem Marder Schmerzendes, dem schwarzen Vogel andere Krankheiten, des Kindes Finger sogleich gesundt).

Gegen Geschwulst. Man drückt darauf und spricht: kau, muhk! kahene, muhk! vaju, muhk! kui ei kahane, katki lähed, tühjast oled tulnud ja tühja lähed (verschwinde, Geschwulst! nimm ab. G.! senke dich, G.! wenn do nicht ab nimmst, so wirst du entzwei gehen, aus dem Leeren bist du gekommen, ins Leere wirst du gehen).

Gegen Krämpfe der Kinder (Flage). Ära niidan nirgi silmad, kastan kadeda silmad, sihin siili karvasida, püüan partsi piitsasida. Kaibus kadugu, laul lämmatagu! Mina sõiman sõnaust, mina kaiban kaibust, mina teen last terveks, saadan teiste sarnatseks. Havi keel, havi meel! Jumala rist ette, jumala rist taha, jumala rist maast taiva. Aamen (weg schneide ich die Augen des Wiesels, benetze des Neidischen Augen, ziele nach den Haaren des Igels, fahnde nach den Peitschen der Ente. Die Klage verschwinde, der Sang ersticke sie! Ich schelte die-Besprechung, ich klage die Klage, ich mache das Kind gesund, schaffe es den anderen gleich. Hechtes Zunge, Hechtes Sinn! Gottes Kreuz vorn, Gottes K. hinten, G. K. von der Erde zum Himmel. Amen). Beim Hersagen wird vor jeder Zeile das Vaterunser gebetet, und ausserdem müssen bei den drei ersten Sprüchen nach dem Amen die Zahlen von neun bis eins gezählt werden.

Gegen “rabandus” (Drachenschuss, plötzliche heftige Krankheit) der Thiere. Armas isand, mina tulen sinu palvele, minu hobune etc. on haige, temal on rabandus (lieber Herr, ich komme dich zu bitten, mein Pferd etc. ist krank, hat einen R.), dann drei Vaterunser, am besten in einem Athem, oder wenn das nicht geht, so wendet man wenigstens den Mund beim Athemholen zur Seite. Diese Worte spricht man über ein Stück Brot, welches man dann dem kranken Thiere zu fressen giebt.

Mine ära, hõel, mööda maad metsa sisse, näri haava, näri haava-puud, viska viha, viska viha, viska v. tamme sisse, heida armu vaese lojuse peale (geh fort, Böser, an der Erde hin in den Wald, nage eine Espe, nage einen Espenbaum, wirf deinen Zorn in eine Eiche, habe Erbarmen mit dem armen Vieh).

Kus Jesus Kristus ristiti? Jordani jõe ääres, punase mere sees. Tagane ära, roojane vaim, üle tuhande, sadande peni-koorma taga! tule nüüd õiguse ja õnnistusega Jeesuse Kristuse sõnade läbi, siis peasta nüüd see inimene (elajas) ära suurest hädast. Aamen (Wo wurde Jesus Christus getauft? Am Flusse Jordan, im rothen Meer. Weiche zurück, unreiner Geist über tausend, hundert Meilen weit! komm nun mit Gerechtigkeit und Segen durch die Worte Jesu Christi, dann rette jetzt diesen Menschen, dieses Thier, aus grosser Noth. Amen).

Gegen Gelenkrheumatismus. Den Leidenden müssen drei Knaben drei Mal ins schmerzende Gelenk beissen, und jeder muss dabei sprechen: kidsi purus, käsi kõvas, pure iks, pure kitsi, kidsi iks purus, käsi kõvas (der Gelenkschmerz zermalmt, die Hand fest, beisse immer, beisse den G., der G. immer zermalmt, die Hand fest).

Gegen Knochenbruch. Seu sinise lõnnaga, poo punase lõnnaga, luu kokku, kopsti! (binde mit blauem Faden, hänge mit rothem Faden, Knochen zusammen, kops).

Gegen die Rose. Käi nenda kui lepp, käi nenda kui kask, käi nenda kui taar (geh so wie eine Erle, geh so wie eine Birke, geh oder gäre so wie Dünnbier); darauf betet man drei Mal das Vaterunser und macht ein Pentagramm auf die Rose.

Gegen Fieber. Man nimmt den Stiel eines Ofenbesens und reitet an drei Mittwochen und vier Donnerstagen darauf umher, indem man spricht: kolm kolma-päivä õdagut, neli nelä-päivä õdagut, kirrev kivi, kikka-hari, aid-saivas, sara-puu-puhm, ahjo-luud, roobi-hand, hall page mant (drei Mittwochabende, vier Donnerstagabende, bunter Stein, Hahnenkamm, Zaunstange, Haselstrauch, Ofenbesen, Ofenkrückenstiel, Grauer fliehe fort).

Gegen Schmerz. Haardke mo halu, võtke mo valu, tõmmake mo tõpe, kõige suurembat surma (fasset meinen Schmerz, nehmet meinen Schmerz, ziehet meine Krankheit, den allergrössten Tod).

(Bei Kindern). Harakale halu, varesele valu, mustale lehmale muu tõbi (der Elster der Schmerz, der Krähe der Schmerz, der schwarzen Kuh das übrige Leidem.

(Von der Ruthe). Tule tuulesta, kurati, üle üheksa kiriku, vii ära vitsa valu (komm aus dem Winde, Teufel, über neun Kirchen her, bring fort den Schmerz von der Ruthe).

(Von frischer Wunde, nachdem man sie vorher vom Blute gereinigt hat). Oh sa rauda raudaseni, oh sa rauda raudaseni, oh sa rauda raudaseni! mõtlesid puise puutumaje, mõtlesid puise puutumaje, mõtlesid puise puutumaje! puutusid mulda ja ihuje, puutusid mulda ja ihuje, puutusid mulda ja ihuje! (o Eisen, mein Eisenchen! meintest Bäume zu treffen! trafst die Erde und den Leib). Zuletzt speit man etwas darauf.

Gegen Sodbrennen. Palotaja sööp minno, mina söö palotajat, härg haljast haina, susi verist liha (das Sodbrennen isst mich, ich esse das Sodbrennen, der Ochs grünes Gras, der Wolf blutiges Fleisch), neun Mal in einem Athem.

Gegen Stiche. Pista; pista! mis saa pistad? Sina pistad üksi korda, mina pistan kaksi korda. Sina pistad, mis sa pistad? Sina pistad kaksi korda, mina pistan kolmi korda. S. p., m. s. p.? Sina pistad kolmi korda, mina pistan kuusi korda. S. p., m. s. p.? Sina pistad neli korda, mina pistan kaheksa korda. Sina pistad viisi korda, mina pistan üheksa korda (stich nur stich! was stichst du? du stichst ein Mal, ich steche zwei Mal. Du stichst, was stichst du? du stichst zwei Mal, ich steche drei Mal. D. st., w. st. d.? D. st. drei Mal, i. st. sechs Mal. D. st., w. st. d.? D. st. vier Mal, i. st. acht Mal. D. st. fünf Mal, i. st. neun Mal). Diess muss in einem Athem gesagt werden und zwar drei Mal hinter einander, zwischen je zwei Malen schöpft man drei Mal Luft, dabei hat man ein kleines Trinkgefäss (tops) mit Branntwein in der Hand und sticht mit einer Nadel in den Branntwein so viel Mal, wie man in jedem Satze sagt.

Ein etwas einfacheres Mittel gegen Stiche ist das Vaterunser drei Mal rückwärts gesprochen.

Gegen Verrenkung. Man streicht die Stelle mit beiden Daumen, schlingt in einen schwarzen oder rothen Wollenfaden neun offene Knoten und spricht darüber drei Mal: nahk naha vasta, veri vere vasta, liha liha vasta, sooned soonte vasta (Haut gegen Haut, Blut gegen Blut, Fleisch gegen Fleisch, Sehnen gegen Sehnen). Darauf zieht man mit einem Ruck alle neun Knoten zusammen, und bindet diesen Faden um die verrenkte Stelle nebst dem gestohlenen Ringe von einem Ofenbesen.

Jeesus ja Peetrus käisid kahekesi kiriku teed, nende eesli jalg nikatas ära. Jeesus ütles: oota oot'! ma tahan nikatust aidata. Luu luu asemele, soon soone asemele, liha liha asemele, haav haava asemele (Jesus und Petrus wandelten selbander auf dem Kirchenwege, ihr Esel verstauchte seinen Fuss. Jesus sagte: warte, warte! ich will die Verrenkung heilen. Knochen an Stelle des Knochens, Sehne an Stelle der Sehne, Fleisch an Stelle des Fleisches, Wunde an Stelle der Wunde).

Jeesus sõit mäke möödä, varsa jalga vaperdama; soone' kokko jo sobigu, veri kokko jo vedägu, säsü sisse jo säädgu, luu liha loperdago. Pühä Petri, tule toes, astu abis, tee see haige terves, võta valu ära. Aamen, aamen, aamen. Jeesus sõit teed mööda, hobese jalga niksahti; soone' kokko jo sobigu etc... Jeesus sõit silda möödä, Jordani jõke möödä, ruuna jalga raksahti; soone' kokko sobigu etc... (Jesus ritt den Berg entlang, des Füllens Fuss wackelte; die Sehnen mögen sich nun zusammen fügen, das Blut sich zusammen ziehen, das Mark sich hinein ordnen, Knochen und Fleisch arbeiten. Heiliger Peter, komm zur Stütze, tritt zur Hülfe, mache diesen Kranken gesund, nimm den Schmerz weg. Amen, amen, amen. Jesus ritt den Weg entlaug, des Pferdes Fuss verstauchte sich; die Sehnen mögen sich zusammen fügen etc.… Jesus ritt die Brücke entlang, den Fluss Jordan entlang; des Wallachs Fuss knackte; die Sehnen mögen sich zusammen fügen etc....).

b) Sprüche zum Schutz

Gegen Bewundern. Kes sõnab? mees sõnab! ma sõnan sõnaja kätte. Kes sõnab? naene sõnab! ma sõnan sõnaja kätte. Kes sõnab? pois sõnab! ma sõnan sõnaja kätte. Kes sõnab? tüdruk sõnab! ma sõnan sõnaja kätte (wer spricht? ein Mann spricht! ich spreche dem Sprechende zu. Wer Spricht? ein Weib spricht! etc. etc., ein Bursch etc., ein Mädchen etc.). Diese Worte werden drei Mal, wenn es ein junges Thier betrifft, über süsse Kuhmilch, wenn es ein Kind betrifft, über die eigene Muttermilch gesprochen, und das Bewunderte damit getränkt.

Gegen Verläumder. Sorija surma, kärataja kärna, talle ise viis villi keele peale (der Verläumder in den Tod, der Scheltende in die Krätze, ihm selbst fünf Blasen auf die Zunge).

Gegen Bienenstich. Linnu isake, linnu emake, linnu sõglevad sõsarad, linnu põue-põrsukesed, linnu veiksed vennakesed, jätke minda (oder der Name) märkimata, veri haljas kärpimata (Bienenväterchen, Bienenmütterchen, der Biene bewegliche Schwestern, der Biene Basenferkelchen, der Biene kleine Brüderchen, lasst mich ungezeichnet, das glänzende Blut ungekerbt).

Gegen Feuer. Jumal pidagu tuld kitsas kohas, oder jumal pidaga tulukest oma pihu sees (Gott halte das Feuer an einem engen Ort, oder Gott halte das Feuerchen in seiner Hand).

Gegen Neid. Kade kaugu, väär vaugu, nõia-silma selja taade, sitta suhu, soola silma. savvuga tarest, tulega ussest (der Neidische schwinde, der Falsche sinke, das Zauberauge hinter den Rücken, Koth in den Mund, Salz ins Auge, mit Rauch aus der Stube, mit Feuer aus der Thür).

Silma sitta, ninna muta, hommen pini persehe, taas-pädi käümä kui maasta vee vähk (ins Auge Dreck, in die Nase Koth, morgen in den Hintern eines Hundes, rückwärts zu gehen wie aus der Erde der Krebs des Wassers).

Gegen Verhexung der Kinder. Minä arsti, minä sobi, Jumal appi! arsti käsi, risti vesi, pühä ristikene! avita sedä last (tich heile, ich beschwichtige, Gott zu Hülfe! Hand des Arztes. Wasser der Taufe, heiliges Kreuzchen! hilf diesem Kinde).

Gegen den Wolf. Kiri karja keskel, Jeesus käib karja eel, Maarja ajab karja järele, mina ise teen aeda karjale ümber. Kui kõrge? nii kui maast taevase. Kui tihe? nii kui jõhvi-sõõl. Kui lai? nii kui kirve laba. Sutte süda metsas nii pehme kui päss-kinnas, sutte silmad nii punased kui konn metsas, sutte hambad nii pehmed kui neitsi nisa ots (die bunte Herde in der Mitte, Jesus schreitet der Herde voran, Maria treibt die Herde nach, ich selbst mache einen Zaun um die Herde. Wie hoch? so wie von der Erde in den Himmel. Wie dicht? so wie ein Haarsieb. Wie breit? so wie die Fläche eines Beiles. Der Wulfe Herz im Walde so weich wie ein Fausthandschuh, der Wölfe Auge so roth wie der Frosch im Walde, der Wölfe Zähne so weich wie einer Jungfrau Brustwarze).

Metsa sikku, metsa akku, kuldne kuningas, metsa halli, harva lõuga! ära sa salaja salva, nägemata näpista! ära puutu minu pulli, ära katsu minu karja! susi suuri, pea jämeda, mine sood solgatama, läbi laanete laduma! mine puid murdama, kivi külge kiskuma (Bock des Waldes, (Thier) des Waldes, goldener König, Grauer des Waldes, Dünnschnauze! beisse nicht heimlich, kneife nicht ungesehen! berühre nicht meinen Bullen, versuche nicht meine Herde! srosser Wolf, dicker kopf, geh in dem Sumpf patschen, durch die Wälder streichen! geh Bäume zerbrechen, an den Steinen reissen).

Metsa ulli, metsa halli, metsa kuldane kuningas, metsa ojarmu emanda! oh Peeter, püha sulane! pane koerad kaaleeie, hurdad umbe rõngaeie, saada soieje minema, küüned kütije vajuta. Aamen (des Waldes Kindchen, des Waldes Grauer, des Waldes goldener König, Herrin der Schneetriften des Waldes! o Peter, heiliger Knecht! versetze die Hunde in den Star, die Windhunde in den festen Ring, schicke sie in die Moräste, drücke die Klauen in ..…).

Man nimmt im Walde die alten Sandalen von den Füssen, wirft sie ins Gebüsch und spricht: susi säh silma-paik, kui sa meie karja tuled, siis pane silma ette, kui sa küla karja tuled, siis võta kaela-kotis, kui sa valla karja tuled, siis võta vahete peal; susi, säh silma-paik (Wolf, da hast du einen Augenlappen! wenn du in unsre Herde kommst, so lege ihn vor das Auge, wenn du in die Dorfsherde kommst, so nimm ihn im Quersack, wenn du in die Gutsherde kommst, so nimm ihn auf dem Zwischenraum der Augen; Wolf, da hast du einen Augenlappen!).

Gegen Schlagen. Der Gebissene darf nicht in ein Haus mit einer Feuerstelle gehen oder sich auf einen Stein setzen, sonst ist ihm nicht zu helfen. Sprüche zur Heilung oder Verhütung des Bisses giebt es sehr viele, z. B. ussikene, hullukene, ära salva mind salaja, halu sees avalik; keri ennast kerase, mäsi mätaste vahele; mu käed tõrva-okstest, mu jalad tõrva-kandudest, ma ise tõrva-tünder (kleine Schlange, kleine Tolle, beisse mich nicht heimlich, der Schmerz drinnen ist offenba; drehe dich in einen Knaul zusammen, winde dich zwischen die Rasenhügel, meine Hände sind von Theerästen, meine Füsse von Theerstumpfev, ich selbst bin eine Theertonne).

Enni änni ohma tukk, erri ärri reema tukk! mado must, maa-alone, kirjo-pää, kivi-alone! lõpku so valu kui külmä kivi aur, nii lõpku so valu kui lämmä kivi toss, alt tee, alt maa, alt kivitse kiriko (………!Schlange schwarze, unterirdische, Buntkopf unter dem Stein! möge dein Schmerz aufhören wie der Dunst eines kalten Steins, möge so dein Schmerz aufhören wie der Dampf eines warmen Steins, unter dem Wege, unter der Erde, unter der steinernen Kirche hin).

Äkiline, äkiline, madu musta. maa-alune! mull on mustad tõrva-hambad! mäherila mätta alla, keherila kännu alla! aja karva, anne karva, kivi karva, kirju karva, lehe karva, lepa karva, mäe karva, männiku karva, soo karva, sara karva (heftige, heftige, Schlange schwarze, unterirdische! ich habe schwarze Theerzähne! .... unter dem Rasen, .... unter dem Baumstumpf! zaunfarbige, schneetriftfarbige, steinfarbige, buntfarbige, blattfarbige, erlenfarbige, bergfarbige, tannenwaldfarbige, sumpffarbige, haselfarbige).

Sina muistne kivi-alune, sina kirjane kirulane! vask-viir nina peal, vask-kindad käes, vask-kapukad jalas! kes seisab vastu tulist müüri? (du von Alters her unter Steinen Wohnende, mit Streifen gezierte Buntfarbige! ein Kupferstreifen auf der Nase, kupferne Handschuhe an den Händen, kupferne Socken an den Füssen! wer steht gegen die feurige Mauer). Dazu neun Vaterunser.

Sing, sille pää, vasklik vaip, kulo alt kastja, paiu alt pistja, pilli rooust pandja! kost olet tulnu, sinna mingu (Schlange, glatter Kopf, kupferne Decke, unter dem vertrockneten Grase her spritzend, unter der Weide her stechend, aus dem Schilfrohr her verwundend! von wo du gekommen bist, dahin mögest du gehen).

Siug sais soo all, hõpe pääle hiitunu, kuld pääle kukkunu. Kuld tsuskas kulo alt, hõpe salv soo alt, ma tsuska siist, säält, nii pikalt valu kui ojah vett (die Schlange liegt unter dem Moor, Silber hat sich auf sie gelegt, Gold ist auf sie gefallen. Das Gold sticht unter dem dürren Grase her, das Silber beisst unter dem Morast her, ich steche von hier von da, so lange der Schmerz wie im Bache Wasser).

Gegen Zorn der Herrschaft. Tere, tere herra (od. hopmann)! herra seaks; lambaks lauta, mina kukeks lakka! herra, musta maa-alune, kiriva-kivi-tagune, mis sina sala suhised, nägemata näpisteled? tagane ära, roojane vaim, anna pühale vaimule teed. Aamen (guten Tag, guten Tag Herr od. Amtmann! der Herr als Schwein, als Schaf in den Stall, ich als Hahn auf den Hausboden! Herr, schwarzer Unterirdischer, hinter dem bunten Stein Weilender, was zischest du heimlich, kneifst ungesehen? weiche zurück, unreiner Geist, gieb dem heiligen Geiste Weg. Amen).

Oder auch drei Mal in einem Athem das Vaterunser gebetet.

c) Verschiedene Spräche

Beim Quästen in der Badstube. Vihake, veidike, võideks, sauna leilike salviks! nenda armas meeste meelest, kui lõpnud lammas koerte meelest! õitse-leini, õnne-leini, karja-leini, kasu-leini! saaki, saaki, saunake, saaki, sauna leinike! kuda tibu, nenda tervis, kuda arst, nenda abi! saaki, saaki, saunake, saaki, sauna leinike! hirmu-kakk, armu-kakk, läbi reite Reinu kakk! hundi-savaga vihelda, rebase-savaga võida (Kleines Besenchen zu Schmiere, kleiner Dampf der Badstube zu Salbe! so lieb nach der Männer Sinn, wie ein gestorbenes Schaf nach der Hunde Sinn! Blüthendampf, Glücksdampf, Herdendampf, Vortheildampf! Gewinn, Gewinn, Badstübchen, Gewinn, Dampf der Badstube! wie der Groschen, so die Gesundheit, wie der Arzt so die Hülfe! Gewinn etc. etc. Schreckensbrot, Liebesbrot, zwischen den Beinen hindurch Reins Brot! mit einem Wolfschwanz zu quästen, mit einem Fuchsschwasz zu streichen). Soll den kleinen Mädchen später Freier verschaffen.

Dem Jäger zu schaden. Liha metsa, karvad kotti (das Fleisch in den Wald, die Haare in den Sack), oder lind metsa, kivi kotti (das Wild in den Wald, ein Stein in den Sack). Das Wild kommt davon, wenn es auch noch so schwer verwundet war.

Beim Buttern, damit die Butter zusammengeht. Taevast tulgu, pulku mingu, ümber männa mässagu (vom Himmel komme es, in das Buttergefäss gehe es, um den Quirl wickele es). - Oder: kokku, kokku, koorekene! taevast tulgu, kirnu mingu, mööda mända mütta mätta, laua peale latakida, leiva peale listakida! kokku, kokku koorekene (zusammen, zusammen, Sahne! vom Himmel komme es, in das Buttergefäss gehe es, an dem Quirl hin tipp tapp, auf den Tisch breite Klumpen, auf das Brot Scheiben! zusammen; zusammen, Sahne). Hilft das nicht, so wird das Buttergefäss mit Ruthen geschlagen.

Gutes Wetter zu erlangen. Ehi, ehi, ilmakene, päädi, päädi, päiväkene! ehi nõide ehtilä, pähi nõide päätilä; toona' oll ehte ilosa, pääte' päiväl valusa (schmücke dich, schmücke dich, Wetterchen! ziere dich Tag! schmücke dich mit dem Zauberschmucke, ziere dich mit den Zaubertroddeln; neulich hattest du schönen Schmuck, der Tag eine glänzende Troddel).

Den Habicht zu verscheuchen. Kull, kull, kana-varas, üle aja ute-varas, meie mamma niidi-varas (Habicht, Habicht, Hühnerdieb, Schafdieb über den Zaun, unserer Mutter Garndieb).

Dass die Heuschrecke ihren Saft auf die Warze speie. Rohu-ritsik, anna salvi! kui ei anna, tapa so (Heuschrecke gieb Salbe, wenn du nicht giebst, so tödte ich dich).

Wer einen Hasen mit der Hand fangen will, muss ihm nur vorher zurufen: kükka maha, kükka maha (hocke dich nieder, hocke dich nieder).

Damit Kraniche nicht entfliehen, sondern springen, gebraucht man den Spruch: Kurekese' karake, pikä' sere' pilake, luu-sere' lungake; küll ma kurele kukli küdsä, pikäle serele pirako (Kraniche springet, Langbeine machet Possen, Knochenbeine hinket; ich werde dem Kranich ein Brötchen backen, dem Langbein einen Kuchen).

Dass die Schnecke ihre Hörner zeige. Sea-tigu, haina rigu, näutä mulle sarvi, to mino tulo kätte, anna mino au kätte (Schnecke, Scheusal des Grases, zeige mir deine Hörner, bringe mir meinen Vortheil, gieb mir meine Ehre).

Schlangen aus dem Walde zu rufen. Oh tule, lind, ma ooda sinno kui jummal taivan hinge, ma saa so vasta võtma, rõõm söamen so saatma (o komm, Wild, ich warte auf dich wie Gott im Himmel auf eine Seele, ich werde dich empfangen, mit Freude im Herzen dich geleiten).

Schlangen zum Stehen zu bringen. Mees, mees, ooda nii kavva, kui mõrsja ehitahas! too sulgi ja siidi, ehi, ehi, mõrsjakene! ooda, mõrsja, peig-mees rühip (Mann, Mann, warte so lange, wie die Braut geschmückt wird! bring Federn und Seide,, schmücke dich, schmücke dich, Bräutchen! warte, der Bräutigam eilt).

Beim Erbsensäen. Man legt ein altes Sandalenstück an den Fuss und spricht: udsu-nukk, kuu karga nukku, herne' kõtra, lõõtsu-nahka (Nebelspitze, Mond laufe in die Spitze sc. der Sandale, die Erbsen in die Schote, in die Blasebalghaut).

Schützenspruch. Wenn der Jäger auf die Jagd geht, so nimmt er einen Schlangenkopf, streicht damit drei Mal über die Flinte und spricht: olgu, mis om, mõts vai maa, sammel vai soo, hain vai niit, vili vai nurm, lind tule väljä! (sei es, was es sei, Wald oder Fläche, Moos oder Moor, Gras oder Wiese, Getreide oder Feld, Wild komm hervor).

Fischerspruch. Man nimmt einen gewissen hakenförmigen Knochen des Frosches, streicht damit über das Fischereigeräthe und haucht drei Mal darauf mit den Worten: olgu vesi vai hain, oja vai jõgi, läte vai soon, tiik vai järv, kala tule väljä! (sei es Wasser oder Gras, Bach oder Fluss, Quell oder Ader, Teich oder See, Fisch komm hervor).

Geh gewesene Kühe zum Milchen zu bringen. Man zieht an den Zitzen und spricht: sõõru, sõõru, lehmäkene, maalu, maalu, marjakene! sõõru mulle sõira-piimä, maalu mulle marja-piimä. Müll om pere' piimä tahtmah, võõras pere' võidu tahtmah; ei ma vahi vaadi-täut, ei ma püvvä pütü-täut, anna mino annom täus, nüssä mino nüssik täus (milche, milche, Kuhchen, milche, milche, Beerchen! milche mir Käsemilch, milche mir Beerenmilch. Mein Gesinde will Milch, fremdes Gesinde will Butter; ich erwarte nicht ein Fass voll, ich strebe nicht nach einer Tonne voll, gieb mir mein Gefäss voll, milche mein Melkgefäss voll).