Sagen

1. Warum Reval nie fertig wird

Reval darf nie fertig werden, denn sonst kommt der Obere See über die Stadt und alle müssen ertrinken. In jeder Neujahrsnacht kommt ein kleines, schmächtiges Männchen mit einer grünen Zipfelmütze in die Stadt und fragt den ersten Vorübergehenden: "Ist Reval bald fertig?"
Der Gefragte muâ dann Folgendermaâen antworten, wenn er nicht Unglück heraufbeschwören will: "In Reval wird noch gebaut aber die Stadt ist bald fertig. Dann lächelt das Männchen zufrieden und geht fort. Man darf das Männchen nicht etwa erzürnen und antworten: "Reval ist noch lange nicht fertig.", denn dann reisst dem Männlein die Geduld und es will nicht mehr länger warten und der Obere See ergreißt sich über die Stadt. Wenn der Betreffende aber so dumm ist, daß er antwortet:"Rewal ist fertig", dann kommt im selben Moment das Wasser und ergieât sich über die Stadt.
Manche glauben, das Mädchen sei der Teufel (Kolumats) selber, der Reval verderben will. Andere wieder meinen, es sei der Geist des Oberen Sees, der die Stadt Reval in Unglück stürzen will.

2. Die Sage über die Entstehung der Olavikirche

Es war einmal ein kleines Stätchen. Dieses Stätchen war nichts besonderes. Es war weder eine Statd, durch ihren Handel berühmt, wie durch sonst etwas. Die Bürger liebten ihre Stätdchen und wollten es gerne berühmt machen. Sie dachten und dachten und verfielen endlich darauf eine Kirche bauen zu lassen. Es sollte aber eine solch groâe und schöne Kirche werden, mit einem gewaltigen Turm, wie man noch keine vordem gesehen. Die Burger beratschlagten untereinander, wer die Arbeit ausführen sollte. Zuletzt gingen sie zu Meister Olaf. Dieser Meister war berühmt im ganzen Lande und hatte nicht seinesgleichen. Sie versprachen ihm reichen Lohn und der Bauermeister war zufrieden die Arbeit zu übernehmen. –
Es wurde ein besonders schöne und große Kirche, mit einem so hohen Turm, dessen Spitze beinahe bis an die Volken reichte.– Nach mehreren Jahren war die Kirche fertig, auch der Turm war gebaut bis auf das Kreutz auf der Sturmspitze. Dieses wollte Meister Olaf eigenhändig auf die Spitze setzen, damit aller Verdienst nur ihren allein zukäme. Doch kaum war das schwere Werk vollendet, da verlor der Meister das Gleichgewicht und stützte stürzte aus der schwöndelden Höhe hinab auf die Erde. Die Bürger waren sehr betrübt über den Tod des gewaltigen Baumeisters. Sie setzten ihm ein Grabmae in Stein. Die Olaikirche aber, so genannt nach ihrem Erbauer ist bis jetzt der Stoltz und die Freude der Bawohner Revals.

3. Der Sage von der Kirche zu Fellin

Vor vielen Jahren stand die Kirche in Fellin ausserhalb des Stätchens an einem See. Die Bewohner Fellins liebten ihre Kirche sehr und besuchten sie fleissig. Bei der Entstehung der Kirche ging im Volke die Sage herum, die Kirche werde so lange betehen bis sieben Brüder gleichzeitig sie betreten wurden. Natürlich hüteten sich die Leute davon diesen Fall eintreten zu lassen. Einmal aber kam es doch dazu. Sieben Brüder waren in der Kirche. Langsam aber allmählich begann die Kirche zu sinken. Erschrocken strömten alle Leute heraus. Alle bis auf die sieben Brüder konnten sich retten. Die Kirche versank in die Erde und keiner hat sie wieder gesehen. In warmen Sommernachten aber und im Winter, in der Neujahrnacht, um die Mitternachtstunde vernimmt man eine wunderschöne, traurige Stimme in der Kirche und das Lauten der Kirchenglocken unter der Erde. Keiner der die Stimme gehört und das Läuten der Glocken vernommen, kann es je wieder vergessen.

4. Die Sage von Brigittenkloster

Einmal träumte einem reichen Bürger der Stadt Reval, die heilige Brigitte verhieße Reval Errettung von den Heiden (Die Stadt wurde gerade der Sage nach von einem Litauischen grossen Fursten blokiert), – wenn die Stadt ihr ein Kloster erbauen werde. Fernen gebot die heilige Brigitta alle jungfrauen des Lüsternsklosters sollten an den Meerestrand ziehen, und dort wo sie eine weisse Rehkuh mit drei weissen Zicklein am Euter fänden, solle das Kloster gebaut werden – Das geschah.
Unterwegs wurden die Klosterfrauen von der litauischen Schaaren überfallen, jedoch die Großmutter des Sohnes des litauischen Feldherrn, der sich sterblich in eine schöne Novize, mit Namen Methild verliebt hatte. Die Litauer zogen ab, und das Brigittenkloster entstand.

5. Die Sage vom unterirdischen Gange, der von Reval bis zum Brigittenkloster geführt haben soll

Als das Brigittenkloster fertig war, traten veile Jungfrauen in dasselbe ein. Darunter auch eine sehr schöne Novize. Ein litauischen Feldherr, der das Mädchen ernst gesehen, versuchte mit einen großen Schaar die Nonne aus dem Kloster zu befreien. Er wurde aber gefangen genommen mit seinen Gefahrten. Seine Genossen wurden teilweise getotet teilweise zu Geiseln gemacht. Er selber aber wurde in einem finsteren Turm der sich in der Nähe der jetzigen Schmiedepfortenanlagen befunden haben soll, gesperrt. Dre Turm aber war so hoch gebaut, daß der Gefangene jeden Tag das Brigittenkloster erblicken konnte. Das machte seine Sehnsucht nur noch viel schlimmer, und er sann wie er zu der Geliebten gelangen konnte. – Eines Tages sah er eine kleine Maus aus dem Boden seines Gefängnisses herauskriechen. Da beschloß er alles daran zu setzen um zur Geliebten zu gelangen. Er grub einen langen unterirdischen Gang bis zum Brigittenkloster, und es gelang ihm die schöne Nonne zu sprechen, als diese gerade Almosen an der Klosterpforte austeilte. Doch die Nönne wollte nichts von einer Flucht aus dem Kloster wissen und der Jüngling mußte wieder unverrichteter Dinge abziehen. Er floh nach Litauen. Bald darauf unternahm der junge Litauer mit einigen Genossen einen Kriegzug gegen Reval. Er wurde aber geschlagen und blieb für Tot auf dem Schlachtfelde. Dort erblickten ihn vorüber ziehende Rigasche Kaufleute und brachten ihn zu den Schwarzmönchen nach Reval. Die schöne Nönne aber fasste den Entschluß ihn zu bekehren. Durch denselben unterirdischen Gang, den der junge Heide gegraben, kam die jede Nacht an sein Krankenlager. Alle hielten diese junge Nonne, ihrer ausserordentlichen Schonheit wegen fur einen Engel, und lie?en sie ruhig gewähren. Der junge Heidenfürst genas und trat zum Christentum über und wurde Mönch. Später wurde er soger der Prior des Klosters. Sein Name aber lautete "Donatos" – der Gottgebene. Als der Mönch und die junge Nonne starben wurden sie beerdigt in der Nikolaipfarrkirche.

6. Die Sage vom Peipussee

Von vielen, vielen Jahren, als in Estland noch tiefe, undurchdringliche Wälder waren und hell Wälder und Weisen, wo die Füchse sich noch gute Nacht sagten, lebte ein reicher König. Dieses König hatte alles was sein Herz verlangte. Er war ungeheues reich und hatte eine Masse Diener und Sklaven, die seine Befehle erfüllten. Er lebte in einem wunderschönen Marmorschloß, das rings von Rosengarten umgeben war. Er hatte eine gute Frau und einen reizenden Knaben. Aber er war nicht zufrieden. Er wünschte sich eine Tochter und betete zu den guten Göttern. Nach mehrere Jahren erhörten die Götter die Bitte des Königs. Es wurde ihm eine schöne Tochter geboren. Jedermann war enzückt der sie sah. Wie Gold umgab das Blondes Haar das Gesicht des Mädchens und die Augen waren die eines Engels. Jedermann konnte das Königskind leiden und alle wollten ihm etwas zu liebe tun. Das ärgerte die bösen Götter gewaltig. Sie nahmen es krumm daß der König nicht zu ihnen um eine Tochter gebetet hatte. Sie beschlossen sich zu rächen an der Kinder des Königspaares. Ein böser Zauberer schickte eine Krankheit und der kleine Knabe starb nach schweren Siechtum. Jetzt hatten die armen Eltern blos nur noch eine Tochter. Mit doppelten Liebe umgaben sie ihr Kind. Aber die böse Götter hatten ihre rache noch nicht gestillt. Als das Mädchen sieben Jahre alt war, brachten die bösen Götter es nach Ingermanland, weit ins Nordland in die Behauzung der bösen Hexe Peipa. Dort mußte das arme Königskind zehn Jahre seines Lebens vertrauern. Es lebte in einem öden Steinpalast, bewacht von bösen Reisen und Kobolden und hatte schwere Arbeit zu verrichten. Trotzdem wurde es zur Jungfrau herangereift war, war es so schön, daß es selbst die Blumen mit seiner Shönheit überstrahlte. Die armen Eltern unterdessen versuchten alles mögliche um ihr Kind aus der Gewalt der bösen Hexe zu befreien. Jedoch keines wagte es mit der bösen Peipa aufzunehmen, war sie doch die gefeischteste Hexe im ganzen Nordland. Auch die guten Götter wollten gerne helfen, schenkten aber eines offenen Kampf. Da versuchten die die Gotter es mit einer List. Sie schickten der Königstochter einen Vogel, der dem Mädchen drei Dinge übergeben sollte: einen silberen Kamm, eine goldene Kugel und ein Handtuch. Diese drei Dinge sollte das Mädchen mit sich nehmen und so bald es könne fleihen.
Es war zur Johanniszeit und ein Donnerstagabend. Da machte die Hexe sich bereit auf ihrem Besen zum Versammlungfest aller bösen Geister, zum Blocksberg hinzufliegen. Kaum war die Hexe fort, da nahm das Mädchen die drei Dinge und machte sich zur Flucht bereit. Die Hexe aber hatte einen Diener, einen schwarzen Raben, dieser flog schnell der Hexe nach und erzählte daß das Mädchen fort sei. Da kehrte die Hexe auf ihren Fluge um und machte sich auf die Verfolgung. – Bald war sie recht nah und das Mädchen sah sie schon von weiten. Sie ritt auf einem schwarzen Eben und die Gräses und Blumen starben wo sie hinüberritt. Da nahm das Mädchen in seines Noth den silberen Kamm und warf mit ihn hinter sich und siehe ein gewaltiges Wald wuchs aus dere Erde. Die Hexe könnte nicht hindurch und mußte umkehren und um den Wald herumreiten. Dadurch gewann das Mädchen einen großen Vorsprung und hatte bald die Hälfte schon zurückgelegt, als sie wieder die Hexe herankeuchen hörte. Schnell warf das Mädchen den goldenen Apfel hinten sich. Es wuchs und wuchs und werde zu einem riesengroßen Bergen. Rund um den Berg herum aber war ein schmalen, winziges Fußpfad. Der Eber mit der Hexe konnte nur sehr langsam den Berg erklimmen, und das Mädchen hatte schon nicht mehr weit vom Ziel. Schon sah die Königstochter von weitem die Türme des vaterlichen Schlosses, als sie die Hexe wieder hinten sich fühlte. Da griff sie zu dem Handtuch. Kaum fiel es auf die Erde, da wurde es breiter und breiter und wurde zu einem großen See, dessen Wellen gewaltig schäumten. Die Hexe wurde so wütend und raßte ohne Vorsicht mitten hinein und ertrank. Die Königstochter aber wurde voll Freude und Jubel im väterlichen Schlosse empfangen und den guten Gotter werden viele Opfer dargebracht. Der See aber erhielt den Namen Peipus nach der bösen Hexe, die darin ertrank. Die Wasser des Sees aber sind nie ruhig. Immer brausen und schräumen die Wellen des Peipus, weil die böse Peipa darin liegt.
Nach dem König aber soll auch ein Dorf in jenes Gegend bekannt sein.

7. Die Sage von der steinernen Säule beim Oberer See

In der nähe Revals, nicht weit von oberer See steht eine seltsame Säule aus Stein. Unten ist sie recht schmal, während sie sich nach oben zu verbreitet. Villeicht hat ein Marienbild im oberen Teil der Säule ernst gestanden. –
Die Sage erzählt die Säule stamme aus der Zeit als Peter der Große Reval belagerte. Schon lange stand der Russenheer von der Stadt doch immer noch hielt sich Reval. Das hat eines der Bürger, villeicht weil er hoffte durch seinen Verratch zu Geld zu kommen, den Russen den Rath gegeben die Abflüsse des Oberen Sees zu verstopfen, damit die Stadt kein frisches Trinkwasser erhalten könne. Das Geschah und die Bewohner des Städtchens mußten sich ergeben. Der Rathgeber aber wurde zum Sohn für den Verrath in eine steinerne Säule bis lebendigem Leibe eingemauert.

8. Bestrafter Hochmut oder die böse Fischertochter

Einmal vor vielen, vielen Jahren lebte in einem kleinen Fischerdorf am Lhände, unweit von Port Kunda ein Fischer. Durch fleißige Arbeit hatte er sich ein kleines Vermögen erworben und galt für recht reich. Dieser Fischermann hatte eine Tochter mit langen blonden Locken und wundervollen meergrünen Augen. Doch so schön wie das Mädchen aussah, so schwarz und finster war ihre Seele. Sie liebte über alles die Menschen auf jede Art und Weise zu ärgern und führte besonders die vielen Freier die sich wegen ihres Schönheit und ihres Reichtums um sie beworben an der Nase herum. So hatte sie gar manchen guten Mann, der es treu und ehrlich meinte verstoßen. Da bescshloss Vana isa das böse Geschöpf zu strafen. Eines Abends, als das Mädchen vor die Türe trat, um nach Wetter Ausschau zu halten, hörte sie Pferdegetrampel, – sie blickte auf und sah einen Reiter in rotgoldener Rüstung auf einem Reiter in rotgoldener Rüstung auf einem kohlrabenschwarzen Pferde. Kaum konnte der Reiter das Pferd händigen, das Ungestüm in die goldenen Zügel hiß und dabei Feuer aus seinen Hustem blies "Dem Mädchen gefiel dieser Freier ausnehmend gut und da sie glaubte er sei ein Prinz oder sonst ein reicher Edelmann so sagte sie ihm ihre Hand ohne Weiteres zu, als der Fremde sie darum hat. Der sehr erfreute Vater wollte dem Fremdling in die Stube nötigen, doch der tat sehr eilig. Er sagte, er und seine Braut werden bereits in seinem Schlosse erwartet, hob das Mädchen auf sein Roß und stob davon daß die Funken sprühten. Sie ritten bis Mittternacht und um die Mitternachtsstunde erreichten ein großes, odes Feld. Mitten in diesen Felde aber stand ein mächtiges schwarzes Marmorschloß, aus dem ein wister Lärm den Ankommenden entgegen tönte. Der Fremde hob das Mädchen vom Pferde und trug es herein ins Schloß. Da erhob sich ein furchtbares Hohergelächter, daß das Mädchen vor Entsezen sich nicht rühren konnte. Ein furchtbaren Donnerschlag, als ob der Schlund der Erde sich öffne um das Schloß zu verschlingen und dann nichts mehr. – Verschwunder das Schloß mit allen Hochzeitsgästen nur ein oder Feld und ein Steinbruch in der Nähe.
Am anderen Morgen sahen die Bewohner jener Gegend einen steinernen Pfösten. Oberhalb waren viele Ringe angebracht und das ganze hatte die Gestalt eines Mädchens. –
Dieser Pfosten soll noch heute in der Gegend zu sehen sein.